Der verlorne Sohn
höhnischem Tone. »Aber wir verrathen ihn nicht.«
»Wo ist die Uniform?«
»Hier im Deckblattkorbe unter den Tabaksblättern habe ich sie versteckt. Da hast Du sie!«
Sie zog die Kleidungsstücke hervor und gab sie ihm.
»Schön!« sagte er ruhig. »Wenn Ihr glaubt, nicht in Strafe fallen zu können, so wollen wir wenigstens versuchen, ob ein Geständniß von Euch zu erlangen ist. Ich erkläre im Namen des Gesetzes, daß Ihr arretirt seid. Ich werde Euch sofort abführen lassen.«
Das hatten sie nicht erwartet. Sie erhoben ein großes Gejammer, er aber ging hinaus vor die Thür, zog das Pfeifchen hervor und stieß einige scharfe Pfiffe aus. Im Nu waren zwei Polizisten da, welche die Frauen in die Droschke steckten und mit ihnen davonfuhren.
Jetzt wurde das Haus untersucht. Das Ergebniß war ein negatives. Die Flüchtlinge waren bereits fort.
Die Polizei entwickelte eine bis auf das Äußerste angespannte Thätigkeit, doch leider vergebens. Es war nicht die geringste Spur aufzufinden, obgleich die Morgenblätter bereits die Nachricht brachten. Sie waren von der Polizeidirection inspirirt worden und machten bekannt, daß auf die Ergreifung jedes der beiden Flüchtlinge ein Preis von tausend Gulden gesetzt sei. Doch schien es ganz so, als ob es Niemandem gelingen werde, sich diesen Preis zu verdienen.
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Es war am nächsten Sonntage und zwar nicht in der Residenz, sondern droben in den Bergen bei dem alten, braven Förster Wunderlich.
Die gute Frau Barbara stand vor dem Spiegel und beschäftigte sich sehr angelegentlich mit dem behäbigen Bilde, welches er ihr entgegenwarf. Sie hatte den größten Staat angelegt, denn heute feierte Eduard Hauser seine Hochzeit mit Hofmanns Engelchen, und Försters waren ganz natürlich dazu eingeladen.
An einem solchen Tage befindet man sich in glücklicher Laune. Und doch lag ein schwerer, besorgter Ausdruck auf dem sonst so freundlichen Gesichte der alten Frau.
Der Förstersbursche trat ein und ging zum Ofen, um sich die Pfeife anzubrennen.
»Ist mein Mann nun angezogen?« fragte sie.
»Na freilich! Bereits seit Stunden!«
»Wo ist er denn?«
»Droben in der Gaststube, da hat er sich eingeschlossen.«
»Was treibt er dort?«
»Ich hörte ihn laut sprechen, so, was man declamiren nennt.«
»Haben Sie verstanden, was er sprach?«
»Nein! Es war mir, als ob er an Jemanden eine Rede halte.«
»Ah! Ich ahne, was er in dem Zimmer treibt –«
»Er studiert vielleicht –«
»Was?! Mein Alter noch studieren? Mag er sich lieber beeilen, daß er mit seinem Anzug fertig wird und das Studiren Andern überlassen. Wie leicht kann er dabei überschnappen! Ist mir es doch schon seit einiger Zeit mit ihm nicht so recht richtig vorgekommen, und um meinen eigenen Verstand angst und bange. Das hat sich angefangen, seit der Schulmeister zum letzten Male bei uns war. Ich habe nur Sorge für heute. Man hat sich auf diese Hochzeit gefreut, und vielleicht fängt er auch da an zu brüllen und verdirbt Einem das Vergnügen. Ich – –«
»Pst!« unterbrach sie der Gehilfe. »Er kommt!«
Man hörte die Stiege knarren, und der Förster trat ein. Er trug seine allerbeste Uniform und machte ein so glückliches Gesicht, als ob er selbst der Bräutigam sei.
»Bist Du fertig, Bärbchen?« fragte er.
»Bald. Und Du?«
»Na, was den Anzug betrifft, ja. Aber das Andre – hm!«
»Was denn?«
»Na, das will doch nicht so recht klappen.«
»Was ist es denn, das Andere?«
»Das geht Dich nichts an, Alte.«
»Herrgott! Man wird doch fragen können!«
»Ja, aber nur darnach nicht!«
»Warum denn nicht?«
»Das ist Geheimniß.«
Da schlug sie die Hände zusammen und sagte:
»Da hat man es! Wir haben so lange glücklich zusammen gelebt und Freud und Leid mit einander getheilt und getragen; wir sind stets aufrichtig gewesen, haben uns nichts verschwiegen, und nun in unsern alten Tagen fängt der Mann an Geheimnisse zu haben. Daß Gott erbarme!«
»Ja, ja, Du bist die Neunzehnte, die schnattert gern mit alten Schicksen!«
»Ich die Neunzehnte? Was heißt das?«
»Hm. Das ist eben das Geheimniß.«
»Ich schnattere gern?«
»Ja. Grad jetzt hast Du geschnattert.«
»Und mit alten Schicksen? Was heißt denn das eigentlich?«
»Na, das weißt Du doch! Ein altes Frauenzimmer, welches gern brummt, keift und schnattert, nennt man eine alte Schickse.«
»Und so eine soll ich
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