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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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wieder.«
    Er eilte hinaus und an das Thor. Es war nicht zu; es lehnte nur an, und im Schlosse steckte der Hauptschlüssel mit dem ganzen Schlüsselbunde. Er kehrte zurück und sah, daß der Gerichtsarzt sich mit dem Schließer zu schaffen machte; er war Doctor Zander zuvorgekommen. Er war ja Gerichtsarzt.
    »Wie steht es,« fragte der Fürst.
    »Weiß noch nicht.«
    Da faßte der Fürst ihn kräftig an und zog ihn weg.
    »Gehen Sie fort! Sie verstehen nichts!« sagte er. »Ich habe Herrn Doctor Zander gesagt, daß er ihn untersuchen soll. Bei Ihnen wüßte man ihn zehn Jahren noch nicht, ob noch Leben in ihm ist.«
    »Herr – Durchlaucht!«
    »Schon gut! Sie haben es so weit gebracht, daß die beiden Menschen fliehen konnten.«
    »Sind sie denn lebendig?«
    »Natürlich!«
    »Und fort?«
    »Ja. Hier ist der Schlüsselbund, mit welchem sie sich geöffnet haben.«
    »Aber sie waren ja nackt!«
    »Sehen Sie nicht, daß der Schließer nackt ist! Sie haben seine Kleider benutzt. Wie steht es mit ihm?«
    Zander hatte sich zu dem Schließer niedergebeugt. Jetzt erhob er sich und antwortete:
    »Er lebt noch, doch wäre er erstickt, wenn wir nur eine Minute später gekommen wären. Sie haben ihn erwürgen wollen, aber es ist ihnen doch nicht ganz gelungen.«
    »Sorgen Sie für ihn. Wir aber, Herr Staatsanwalt, wollen versuchen, die Flüchtlinge noch zu erreichen. Bitte, kommen Sie!«
    »Wohin?«

»Nach der Wohnung des Apothekers. Sie sind dorthin.«
    »Glauben Sie?«
    »Ich bin davon überzeugt. Seidelmann hat hier keinen Rückhalt; er weiß weder aus noch ein. Sie haben die Flucht nicht direct von hier antreten können; sie besitzen ja weder Geld, noch sind sie mit genügenden Kleidern versehen. Wohin haben sie sich wenden können, um Beides zu bekommen? Nirgends hin als in die Wohnung des Apothekers. Kommen sie schnell!«
    Er zog ihn mit sich fort, gleich zum offenen Thore hinaus. Sie stiegen in die erste Droschke, welche sie fanden und jagten davon. Als sie am Hauptpolizeiamte vorüberkamen, ließ der Fürst für einen Augenblick halten, um die Flucht zu melden und sofort alle Telegraphendrähte spielen zu lassen. Es theilten sich eiligst alle anwesenden Polizeier in die verschiedenen Straßen, um von den Ausgängen derselben, nachdem sie besetzt worden waren, nach der Umgebung auszuschwärmen.
    Der Fürst aber war sofort wieder eingestiegen, und bald hielt die Droschke vor dem Hause des Apothekers, welches Befour sehr gut kannte. Er klopfte an, und es wurde geöffnet. Die Alte blickte heraus.
    »Wer ist da?« fragte sie.
    »Polizei,« antwortete er, indem er sie bei Seite schob und eintrat. »Besetzen Sie die Thür,« bat er den Staatsanwalt, »damit Niemand entschlüpfen kann.«
    Er begab sich in die Wohnstube, wo die Töchter bei ihrer Cigarrenarbeit saßen.
    »Wo ist Horn?« fragte er.
    »Der ist jedenfalls im Himmel.«
    »Machen Sie keinen Unsinn!«
    »Na, er ist ja todt.«
    »Aber wieder lebendig geworden. Er ist hier, mit noch einem Anderen, oder wenigstens hier gewesen.«
    »Suchen Sie ihn doch! Vorher aber beweisen Sie uns, daß Sie wirklich Polizist sind.«
    Da ließ sich draußen eine laute Stimme hören; die Thüre ging auf und Adolf trat ein.
    »Ah gut, daß Du kommst!« sagte der Fürst. »Wie aber findest Du Dich hierher?«
    »Ich traf am Flusse einen Collegen und erfuhr von ihm, was geschehen ist. Ich eilte sofort hierher, weil ich mir sage, daß er zunächst nur hierher hat gehen können. Zu meiner Freude finde ich Sie und den Herrn Staatsanwalt. Haben Sie Spur?«
    »Noch nicht.«
    »Werden sie schon finden.«
    »Kennst Du die näheren Umstände der Flucht?«
    »Hörte es von dem Collegen. Die Beiden sind in der Uniform des Schließers entkommen. Wenn sie hier gewesen sind, so haben sie vor allen Dingen die Kleider gewechselt. Die Uniform muß also da sein. Suchen wir!«
    Da stand die kleine Jette vom Stuhle auf. Ihr Auge war zornig auf Adolf gerichtet. Sie sagte: »Schlechter Kerl! Willst Du nun abermals den Verräther spielen? Mich hast Du betrogen, mir Liebe vorgelogen, um den Vater auszuforschen und uns zu verderben. Aber Du sollst nicht triumphiren. Der Vater hat uns gesagt, daß Niemand, der einen nahen Anverwandten unterstützt, bestraft werden kann, ich – –«
    »Ah,« fiel er ein, »das hat er gesagt? So ist er also hier gewesen!«
    »Ja, er war da.«
    »Und er ist wieder fort?«
    »Ja. Ihr werdet ihn nicht fangen!«
    »Ihr wißt, wohin er ist?«
    »Er hat es uns gesagt,« gestand sie in

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