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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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nicht wahr?«
    »Hm, ja! Aber wenn man es recht nimmt, so ist es ganz egal, ob er nur flickt oder auch neues Schuhwerk macht. Schuster ist Schuster. Warum aber hat sie gelacht?«
    »Wer weiß es!«
    »Das möchte ich erfahren.«
    »So mußt Du ihr nach.«
    »Jetzt freilich nicht. Das war ja gerade, als ob sie mich auslache! Aber dennoch muß ich wissen, ob sie wieder nach dem Hotel geht. Kommst Du mit?«
    »Ja.«
    Während sie ihr nachschritten, nahm Randau seine Brieftasche hervor und die Photographie heraus. Er blieb einen halben Schritt zurück, ließ sie fallen und bückte sich dann, um sie aufzuheben. Die Brieftasche hatte er schon wieder eingesteckt.
    »Etwas gefunden?« fragte Hagenau.
    »Eine Photo – – ah! Kennst Du diese hier.«
    »Natürlich!« sagte Hagenau rasch. »Her damit!«
    Er langte zu.
    »Oho! Sie hat sie verloren, und ich bin der Finder.«
    »Nein, nein! Ich habe sie verloren.«
    »Das ist doch wohl nicht denkbar.«
    »O, gewiß. Ich hatte sie da unter die Weste gesteckt, und da ist sie mir herabgerutscht.«
    »Unter die Weste? Ich glaube gar, Du trägst diese Photographie auf Deinem treuen Herzen!«
    »Für gewöhnlich nicht. Ich will Dir aufrichtig sagen, daß ich das Bild in der Hand hielt, als Du klopftest. Ich wußte nicht, wer Einlaß begehrte und wollte es nicht sehen lassen. Darum schob ich es unter die Weste.«
    »Und dachtest nicht wieder daran!«
    »Leider! Ich konnte es hier verlieren. Wie gut, daß Du bei mir gewesen bist.«
    »Wie aber kommst Du zu ihrer Photographie, da Du sie noch so wenig kennst?«
    »Hm! Auf eine sehr schlaue Weise. Ist meine eigene Erfindung, habe es mir selbst ausgedacht.«
    »Nun, wie denn?«
    »Es ist ein Augenblicksbild.«
    »Ah, ich verstehe. Du hast einen Photographen da postirt, wo sie vorüber mußte?«
    »Ja. Habe ein einfenstriges Zimmer gemiethet, kostet für diese fünf Minuten fünf Gulden, der Photograph dreißig Gulden, macht fünfunddreißig.«
    »Theure Photographie!«
    »Schadet nichts! Ich wollte sie haben, und ich habe sie; das ist genug. Schau, da tritt sie in’s Hotel!«
    »Ja. Was nun?«
    »Hm! Weiß nicht.«
    »Etwa patroulliren?«
    »Ich möchte doch abwarten, ob sie vielleicht bald herauskommt. Nicht?«
    »Ich verzichte. Du wirst es mir verzeihen, da ich doch kein Interesse dabei habe.«
    »Natürlich! Wo sehen wir uns wieder?«
    »Für heute wohl nicht. Du verreisest und ich habe noch verschiedene Besuche zu machen.«
    »So willst Du Dich verabschieden? Na, also, wenn Du nicht anders willst. Nochmals herzlichen Dank für – –«
    »Pah! Schweig davon! Wenn Du glaubst, mir Dank schuldig zu sein, so grüße mir Fräulein Holm. Mehr verlange ich nicht.«
    Sie schieden.
    Hagenau schritt noch eine ganze Weile auf der Straße hin und her, verlor aber dann doch die Geduld und entfernte sich.
    Es war ihm sehr unlieb, jetzt verreisen zu müssen, da er die Geliebte nach vierzehntägigem Warten zum ersten Male wieder gesehen hatte; doch ließ sich dies leider nicht ändern. Er nahm sich vor, schleunigst zurückzukehren.
    Am Nachmittage fuhr er zum Bahnhofe und nahm in einem Copee zweiter Classe Platz. Kurz bevor der Zug abgehen sollte, hörte er eine männliche Stimme rufen: »Station Mildau! Damencoupee!«
    »Damencoupee ist bereits voll!« antwortete der Schaffner.
    »Dann Coupee für Nichtraucher.«
    »Hier! Bitte!«
    Der Conducteur machte Hagenau’s Thür auf und dieser Letztere erblickte zu seinem freudigen Schreck – die Geliebte. Ihr Bruder hatte sie zur Bahn begleitet. Schon hob sie das Füßchen, um einzusteigen, da fiel ihr Auge auf den Offizier. Sofort wich sie wieder zurück.
    »Nein, nein! Hier herein nicht!« rief sie.
    »Warum denn nicht?« fragte der Doctor.
    »Später davon! Ein anderes Coupee.«
    »Dann giebt es aber keins für Nichtraucher!«
    »Mag sein. Bitte, weiter!«
    Sie verschwanden. Die Thür wurde wieder geschlossen und der Zug setzte sich nach kurzer Zeit in Bewegung.
    Hagenau legte sich höchst verstimmt in die Ecke zurück.
    »Verflucht!« brummte er. »Wohin fährt sie? Warum wollte sie nicht zu mir? Wegen der Scene heute am Vormittage? Jedenfalls. Ich werde aufpassen.«
    Er blickte an jeder Station zum Fenster hinaus, sah sie aber nicht. Endlich mußte er selbst in Wildau aussteigen, und nun erinnerte er sich, daß sie diese Station ja angegeben hatte. Sie stieg auch wirklich aus und eilte, ohne ihn anzublicken, in das Stationsgebäude.
    Er folgte langsam nach. Sie saß im Wartezimmer und er nahm ebenda

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