Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
natürlich.«
    »Sage, giebt es dort nicht ein Bad?«
    »Gewiß. Warum fragst Du?«
    »Weil ich zufällig von diesem Bade sprechen hörte.«
    »Pah! Es hat einen anderen Grund. Du machst ein so geheimnißvolles Gesicht, daß Dich eine ganz besondere Absicht zu dieser Frage veranlaßt haben muß.«
    »Du täuschest Dich. Aber sage mir einmal, was soll aus dieser Neigung werden?«
    »Das wissen die lieben Engel.«
    »Du nicht?«
    »Nein. Ich lasse Gottes Wasser über Gottes Land laufen. Es muß sich dann finden, welch’ ein Hühnchen aus diesem Eie schlüpft.«
    »Du spielst mit dem Feuer!«
    »Thut nichts. Ich bin ja bereits verbrannt. Vielleicht finde ich die richtige Stelle, und dann – – –«
    Er hielt inne. Draußen hörte man den Glockenschlag von den Thürmen hallen. Er zog seine Uhr und sagte erschrocken: »Alle Wetter! Du, verzeihe! Ich muß fort!«
    »Wohin?«
    »Nach der Schillerstraße.«
    »Besuch machen?«
    »Unsinn.«
    »Wozu denn?«
    »Das kannst Du Dir doch denken! Es ist jetzt die Zeit, in der sie gewöhnlich kommt. Willst Du hier warten?«
    »Nein. Ich gehe mit.«
    »So mach schnell! In anderthalb Minuten muß ich dort sein.«
    »So laß’ uns laufen!«
    Sie stürmten fort, Hagenau mit größtem Eifer voran und Randau heimlich lachend hinterdrein.
    Der Letztere wußte, daß sich Hilda Holm mit ihrem Vater und der alten Nachbarin jetzt in Reitzenhain befand, wo der Vater auf Anordnung Doctor Zander’s Moorbäder zu nehmen hatte. Als sie die Schillerstraße erreichten, ging Hagenau ein wenig langsamer, so daß Randau wieder mit ihm sprechen konnte. Darum sagte der Letztere:»Würdest Du mir vielleicht einen Gefallen thun?«
    »Gern! Lieber hundert als einen.«
    »Einen Gruß mitnehmen.«
    »An wen?«
    »An ein Fräulein Holm, welches sich mit ihrem kranken Vater dort befindet.«
    »Also bürgerlich?«
    »Ja. Ihr Bruder ist Doctor der Philosophie und ein guter Bekannter von mir. Ich glaube, daß sie sich freuen wird, wenn Du ihr meinen Gruß bringst.«
    »Schön! Ist sie zu ertragen?«
    »Ich denke es.«
    »Vielleicht alte Jungfer?«
    »Ja, ich schätze sie so über dreißig.«
    »O wehe! Aber da Du es wünscht, so will ich es thun. Was ist Ihr Vater?«
    »Musikdirector gewesen. Sein Sohn, der Doctor, ist auch musikalisch, so etwas wie Geigenvirtuos.«
    »Vortrefflich! Ich werde also – – alle Himmel! Sie ist wieder da! Dort biegt sie um die Ecke!«
    Randau erkannte Hilda, welche jedenfalls nur für kurze Zeit nach der Residenz zurückgekehrt war.
    »Soll ich sie auch grüßen?« fragte er lächelnd.
    »Natürlich! Das gehört sich ja.«
    »Rede sie doch endlich einmal an! Sonst verschwindet sie Dir wieder, und zwar auf Nimmerwiedersehen.«
    »Meinst Du? Gut, Deine Gegenwart giebt mir Muth. Ich werde sie anreden. Aber daß Du nicht etwa lachst!«
    »Gott bewahre!«
    »Schön! Donnerwetter, aber wie spreche ich denn?«
    »Närrischer Mensch! Du sagst, was Dir gerade einfällt. Da ist sie! Muth, Alter!«
    Sie waren langsam vorwärts gegangen, und Hilda war ihnen nun ganz nahe. Randau griff an den Hut, und auch Hagenau zog den seinigen. Der sonst so sichere, selbstbewußte Offizier war über das ganze Gesicht weg tief roth. Er verbeugte sich und sagte: »Entschuldigung, Fräulein! Darf ich mir vielleicht eine Frage gestatten?«
    »Gern,« antwortete sie, ebenso erröthend.
    »Wo hat Ihr Herr Vater seinen Laden?«
    Sie blickte erstaunt zu ihm auf.
    »Seinen Laden?« fragte sie.
    »Ja. Ich meine natürlich seinen Verkaufsladen.«
    »Er hat keinen; er braucht ja keinen,« antwortete sie ganz verlegen.
    »Also keinen Laden? Ich hätte mir gern ein Paar Stiefel bei ihm gekauft. So aber bessert er wohl nur aus? Darf ich erfahren, wo seine Werkstatt ist?«
    Sie blickte erst den Sprecher, dann auch Randau ganz verwirrt an; dann aber zuckte es ganz plötzlich über ihr Gesichtchen wie ein unwiderstehlicher Reiz zum Lachen.
    »Adieu!« brachte sie noch hervor; dann riß sie ihr Taschentuch heraus und hielt es vor den Mund, indem sie sich eiligst entfernte.
    Die Beiden blickten ihr nach, Hagenau mit weit aufgerissenen Augen. Ebenso weit stand sein Mund offen. Randau gab sich Mühe, ernst zu bleiben. Er fragte möglichst unbefangen: »Also das war sie?«
    »Ja, das war sie.«
    »Scheint ein kleiner Kobold zu sein!«
    »Habe vom Kobold noch nichts bemerkt.«
    »Aber dieses Lachen?«
    »Kann es auch nicht begreifen. Verflucht! Also ihr Vater hat keinen Laden, ist vermuthlich nur Flickschuster!«
    »Das kühlt,

Weitere Kostenlose Bücher