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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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»Fragen Sie im Ernste so?«
    »Natürlich!«
    »Nun, dann haben Sie noch nie geliebt!«
    »Allerdings nicht. Sie dagegen desto öfter.«
    »Nie!« betheuerte er.
    »Wie? Sie wollen nie geliebt haben und wissen doch so genau, was es mit einer Umarmung für eine Bewandtniß hat? Gehen Sie!«
    »Ich habe es auch noch nicht gewußt, sondern ich weiß es erst jetzt in diesem Augenblicke. Denken Sie doch daran, was ich Ihnen im Tivoli erzählte.«
    »Was?«
    »Nun, wie ich Sie zum ersten Male gesehen habe, so reizend, so entzückend.«
    »Wohl reizender als jetzt?«
    »Schöner nicht, aber reizender allerdings. Ich gäbe viel darum, Sie wieder so zu sehen.«
    »Sie sind ungenügsam. Ich denke, Ihnen genug gewährt zu haben durch die Erlaubniß, jetzt bei mir hier sitzen zu dürfen. Nicht?«
    »Sie machen mich durch diese Erlaubniß wirklich glücklich. Ich muß Ihnen dafür Ihren süßen Mund –«
    »Nein, nein!« fiel sie schnell ein, ihn von sich abwehrend. »Ich bin nicht mehr so leichtgläubig wie früher.«
    »Ich spreche die Wahrheit!«
    »Das muß erst erprobt sein. Ich habe einmal einem Manne geglaubt, zum zweiten Male nicht wieder, ohne vorher Beweise zu haben.«
    »Fordern Sie von mir diese Beweise!«
    »Gut. Sie sagen, ich sei schön, und ich will ehrlich zugeben, daß ich es bin. Ich fühle mich befähigt, einen Mann glücklich zu machen, aber ich verschleudere dieses Glück nicht, ich bringe es nur dem Würdigen entgegen. Der Würdige ist Derjenige, welcher mir zu beweisen vermag, daß er mich wirklich liebt, mehr als alles Andere, daß ich ihm über Alles gehe.«
    »Das ist ja bei mir der Fall!«
    »Daß ihm kein Opfer für mich zu schwer und zu groß ist.«
    »Ja, so ist es bei mir!«
    »Verstehen Sie mich wohl. Ich meine jedes Opfer, alle Arten von Opfern. Er soll nur an mich denken, mir alle Bedenken zu Füßen legen. Soll ich Sie in dieser Weise auf die Probe stellen?«
    »Thun sie es!«
    Sie legte sich halb sitzend in die Sophaecke zurück, das schöne Köpfchen nach hinten sinkend lassend. War es Zufall oder Berechnung, die Jacke öffnete sich, und ein Schloß des Corsets sprang auf. Sie that nichts, diese Enthüllung wieder zu verschleiern. Sie fragte: »Könnten Sie zum Beispiel mir zu Liebe etwas thun, was andere Menschen ein Unrecht nennen würden?«
    »Ja,« antwortete er schnell und bestimmt.
    »Irgend ein Vergehen?«
    »Ja.«
    »Aber nicht ein Verbrechen?«
    »Auch das, wenn ich einsehen könnte, daß es mir Ihre Gegenliebe bringt.«
    »So wollen wir sehen, ob dies wahr ist. Ich Mitte, daß ich Sie liebhaben könnte –«
    »Wirklich, wirklich?« fiel er ein.
    »Ja. Aber Sie müßten ein resoluter, thatkräftiger Mann sein. Ich hasse glühend, vermag aber auch ebenso glühend zu lieben. Meine Liebe soll nur Dem gehören, welcher sich Mühe giebt, meinen Haß zu stillen.«
    »Sie meinen in Beziehung auf jenen Polizisten?«
    »Ja.«
    »Sagen Sie mir, was ich thun soll!«
    »Werden Sie es thun?«
    »Sicher!«
    Er war wie trunken vom Anblicke ihrer Schönheit.
    »Wenn Sie ihn nun ermorden sollten?«
    »Ich thäte es!«
    »Oho! Man machte Ihnen den Proceß.«
    »Pah! Es sollte mir Niemand etwas beweisen können.«
    »Nun, so viel verlange ich gar nicht. Ich will ihn zwar tödten, aber nicht körperlich, sondern moralisch. Er hat als Criminalspion schon Manchen unglücklich gemacht; jetzt soll er selbst in’s Gefängniß spazieren. Wollen Sie dazu helfen oder nicht?«
    »Sehr gern, wenn ich es vermag!«
    »Gut. Sie sollen sogleich einen kleinen Lohn haben. Hier, küssen Sie mich!«
    Sie hielt ihm den Mund entgegen und er machte von dieser Erlaubniß sofort Gebrauch. Aber als er sie enger umschlingen wollte, schob sie ihn von sich und sagte: »Genug für jetzt! Sie sehen, daß ich mit meiner Zärtlichkeit keineswegs geize, aber ich will auch sehen, daß Sie sie verdienen.«
    »Ich wiederhole nur die Bitte, mir zu sagen, was ich zu thun habe.«
    »Zweierlei.«
    »Ich thue es, und wenn es noch so schwer wäre!«
    »Beides ist sehr leicht. Erstens sollen Sie zwei Ringe, welche ich Ihnen gebe, morgen an die beiden Polizisten verkaufen, Jedem einen.«
    »Und zweitens?«
    »Zweitens sollen Sie später behaupten, daß dies die beiden Ringe gewesen seien, welche Sie mir vorhin im Tivoli gegeben haben.«
    »Ich werde es thun, bitte aber um die nothwendige Erklärung, damit ich dabei keinen Fehler mache.«
    »Das ist allerdings unumgänglich nöthig. Also hören Sie: Die Pretiosen der Baronin von Helfenstein

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