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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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bei Ihnen wirklich so entsetzlicher Ernst ist, so werde ich mir diese Angelegenheit wohl auch von der ernsten Seite betrachten müssen. Also gebe ich Ihnen die kurze und bündige Antwort: Sobald die beiden Polizisten dem Strafrichter überliefert werden, bin ich bereit, Ihre Frau zu sein.«
    »Eher nicht?«
    »Nein. Erst die Rache und dann die Liebe!«
    »Und vorher nicht eine ganz kleine Abschlagszahlung?«
    »Was verstehen Sie darunter?«
    »Die Verlobung.«
    »Ist nicht nothwendig. Es braucht jetzt Niemand zu wissen, daß wir uns kennen.«
    »Grausame!«
    »Ich will nachsichtig sein. Kommen Sie morgen Abend elf Uhr hierher vor die Thür. Wenn Sie mir dann sagen können, daß die Beiden die zwei Ringe gekauft haben, dürfen Sie mich zum ersten Male umarmen.«
    »Sie setzen mich wahrhaftig auf Krankenkost!«
    »Sie sind doch auch krank – liebeskrank!«
    »Meinen Sie, daß ich durch so magere Diät geheilt werden könne?«
    »Ja.«
    »O nein, ich werde nur desto kränker.«
    »Welche Kost verlangen Sie denn?«
    »Eine kräftige. Ungefähr diese!«
    Er hatte blitzschnell die Arme um sie gelegt und zog sie fest an sich. Sie sträubte sich und wollte sich loswinden: er aber gab sie nicht frei. Endlich ließ sie den Widerstand fallen und folgte willig, als er sie zu sich auf das Sopha zog. Hier legte sie sich mit verführerischer Innigkeit an ihn, ohne ihm jedoch allzu große Kühnheit zu gestatten. Sie liebte ihn ja noch nicht, sie konnte ihn nur leiden, sie berechnete.
    Als er später sich verabschiedete, war sie überzeugt, seine Liebe bis zur willenlosesten Hingebung angefacht zu haben. Er war ihr Sclave geworden, das versicherte er ihr, und das glaubte sie auch. Sie brachte ihn vor die Thür und entließ ihn mit einem Kusse.
    »Verflucht!« brummte drüben der Paukenschläger. »Dieser Kuß gehörte eigentlich mir, für die vier vollen Stunden, welche ich hier gestanden habe. Doch ist’s auch so recht, ich danke dafür. Ja, wenn es diese Laura Werner wäre! Ah, Sapperment! Da hielte ich ihr den Schnabel hin und sie könnte hineinblasen wie in eine A-Clarinette, so lange es ihr beliebte. Aber jetzt muß ich aufmerken, daß mir dieser Kerl ja nicht aus den Augen kommt. Ich will unbedingt wissen, wo er wohnt.«
    Er schritt ihm eiligst nach.
    Der Weg führte an dem Gerichtsgebäude vorüber. Dort war es dem Musikus, als ob er eine Thür klirren hörte. Drei Gestalten kamen von der Mauer her, da, wo sich ein Seiteneingang befand. Mehnert war von der Seite der Ecke her gekommen. Sie hatten sein Nahen nicht hören können und stießen fast mit ihm zusammen.
    »Donnerwetter!« sagte er. »Herr Simeon!«
    »Mehnert, Sie?«
    »Ja, und – Herrgott, der Freiherr von Tannenstein und Fräulein Tochter in Männerkleidung?«
    Das war ihnen vor Ueberraschung entfahren. Jetzt sagte Simeon in gedämpftem Tone:
    »Um Gottes willen, still! Es darf kein Mensch ahnen, daß wir hier waren. Kommen Sie mit nach Ihrer Wohnung, wo wir Ihnen Alles erklären werden.«
    Sie eilten von dannen, Hauck hinter ihnen her.
    »Schön!« sagte er zu sich selbst. »Also Mehnert heißt dieser Kerl. Der Andere ist ein gewisser Simeon, bei dem ein Freiherr von Tannenstein mit seiner Tochter war, die hatte sich als Mann verkleidet. Das werde ich mir zu merken haben. Sie kamen aus der Seitenthür des Amtsgerichtes. Da ist irgend eine Luderei ausgeheckt worden. Also rasch nach!«
    In seinem Eifer trat er zu stark auf. Theodolinde besaß ein außerordentlich feines Gehör.
    »Es kommt jemand hinter uns her,« sagte sie.
    »Bleiben wir stehen,« meinte Simeon.
    Sie thaten es und hörten, daß der hinter ihnen Kommende auch stehen blieb.
    »Gehen wir weiter!«
    Sie hörten, daß sich der Mann auch in Bewegung setzte. Sie blieben noch einige Male stehen, um zu sehen, ob es sich wirklich um eine Verfolgung handle.
    »Ja,« sagte Simeon. »Er hat es auf uns abgesehen. Gehen Sie langsam weiter!«
    »Was wollen Sie thun?« fragte der Freiherr.
    »Ihn uns vom Halse schaffen.«
    Er lehnte sich ganz eng an eine dunkle Hausthür und ließ den Musikus, der an der anderen Straßenseite ging, vorüber. Dann zog er den Todtschläger heraus, huschte ihm nach, holte aus – ein fürchterlicher Hieb, ein lauter Schrei – der Getroffene brach zusammen, und der Goldarbeiter eilte davon. –Er hatte sich punkt ein Uhr am Brunnen des Altmarktes eingestellt, natürlich nicht ahnend, daß Hulda und Jette, die er Beide kannte, einige Stunden früher in ebenso heimlicher Absicht hier

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