Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
müssen«
    »Schön, mein Lieber. Thun Sie das! Sie werden ja erfahren, wie weit es auf diesem Wege zu bringen ist.«
    »Meine Tochter wird Sie als Vater angeben.«
    »Nach dem Gesetze unseres Landes wird mir der Schwur zugeschoben werden, und ich werde mit dem besten Gewissen und der Wahrheit gemäß beeiden, daß ich mit dem Mädchen nicht das Geringste zu thun gehabt habe!«
    Der Schreiber machte trotz dieser Worte ein siegesgewisses Gesicht und sagte:
    »Sie werden diesen Meineid nicht thun können, denn meine Tochter wird beweisen können, daß Sie es gewesen sind.«
    »Beweisen? Ah, ich wäre doch sehr begierig, zu erfahren, wie sie den Beweis liefern würde!«
    »Ich sollte es eigentlich jetzt noch nicht verrathen; da mir aber an Ihrer Feindschaft nichts liegen kann, und da ich ferner hoffe, Sie durch meine Aufrichtigkeit zum freiwilligen Nachgeben zu bewegen, so will ich Ihnen erklären, daß meine Tochter im Besitze eines Gegenstandes ist, durch den der betreffende Beweis allerdings erbracht werden kann.«
    »Welcher Gegenstand wäre das?«
    »Sie hat Sie trotz der Dunkelheit, welche natürlich in der Kammer herrschte, an der Stimme erkannt; außerdem aber hat sich während des Ringens mit Ihnen ein Ring von Ihrem Finger abgeschoben und ist in der Hand meiner Tochter geblieben. Sie hat ihn behalten, um seiner Zeit beweisen zu können, daß Sie es gewesen sind, der die Alimente zu zahlen hat.«
    Fritz Seidelmann fuhr sich mit der Hand durch das Haar. Er war sichtlich verlegen geworden.
    »Man soll erst beweisen, daß der Ring der meinige ist, daß er wirklich mir gehört,« sagte er.
    »Der Beweis ist leicht. Ihr Name ist auf der Innenseite deutlich zu lesen. Der Goldschmidt, von dem Sie den Ring haben, wird leicht aufzufinden sein.«
    »Alle Teufel! Sie wollen wirklich gegen mich auftreten, gegen mich prozessiren?«
    »Sie zwingen mich dazu!«
    »Und dabei bitten Sie mich um Gehaltszulage!«
    »Ich habe bereits jetzt gehungert und gekummert genug; erhält meine Familie noch solchen Zuwachs, und zwar durch Ihre Schuld, so kann ich mit meinem kärglichen Gehalte unmöglich auskommen. Früher verdiente meine Frau noch nebenbei durch Näharbeiten ein Weniges; jetzt aber ist sie krank; es geht nicht mehr.«
    »Lassen Sie sie kuriren!«
    »Kann ich das? Einen Arzt kann ich nicht bezahlen, ebenso wenig die theure Medizin, und an den Armenarzt darf ich mich nicht wenden, weil Sie sagen, daß dies dem guten Rufe Ihres Hauses schade. Wie soll ich da die Kranke kuriren?«
    »Sparen Sie!«
    »Mein Gott, mein Gott, wie soll ich sparen! Ich bitte Sie um Gotteswillen mich und mein Kind nicht im Stiche zu lassen! Ich will für Sie arbeiten, so fleißig und so treu wie kein Anderer! Sie sollen stets mit mir zufrieden sein!«
    »Das ist bereits jetzt Ihre verdammte Pflicht und Schuldigkeit! Zulage kann ich nicht geben, principiell nicht!«
    »Aber Sie nehmen sich wenigstens meiner Tochter an?«
    »Auch das kann mir nicht einfallen! Ich habe das Mädchen mit keinem Finger berührt! Wie sollte ich, ich, Friedrich Seidelmann, die Schande auf mich laden, der Vater eines unehelichen Kindes zu sein! Das ist rein unmöglich!«
    »Aber Sie sind es ja doch!«
    »Schweigen Sie! Diese Behauptung ist eine Frechheit, die ich gar nicht begreifen kann!«
    »Nun wohl, so bin ich gezwungen, aus Ihrem Dienst zu treten. Ich kündige!«
    »Ah, wirklich? Wollen Sie verhungern?«
    »Gott wird mir helfen! Ich habe bereits eine andere Stelle halb und halb zugesagt erhalten.«
    »Wirklich?« erklang es höhnisch. »Das muß in Ostindien sein oder in Amerika, denn hier giebt es keine einzige Vacanz.«
    »Es ist in der Nachbarschaft.«
    »Das glaube ich nicht. Bei wem denn, he?«
    »Beim Kaufmann Strauch.«
    »Ah, bei dem! Hm, Hm! Und da bekommen Sie wohl jedenfalls auch mehr Gehalt?«
    »Zehn Gulden monatlich mehr.«
    Seidelmann nickte mit dem Kopfe leise vor sich hin und fragte, indem er dem Schreiber einen Seitenblick zuwarf:
    »Und da gehen Sie wohl sehr gern fort von hier?«
    »Ich weiß, daß Sie mich nothwendig brauchen; denn ehe mein Nachfolger sich nur einigermaßen eingearbeitet hat, werden Jahre vergehen; aber Sie zwingen mich!«
    »Ja, ich zwinge Sie, aber nicht zum Gehen, sondern zum Bleiben! Ich nehme Ihre Kündigung nicht an!«
    »Sie müssen Sie annehmen! Ich werde Ihnen vor Zeugen kündigen!«
    »Thun Sie das! Aber ich sage Ihnen im Voraus, daß Sie mich bitten werden, bei uns bleiben zu dürfen.«
    »Lieber sterbe und verderbe ich!

Weitere Kostenlose Bücher