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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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des Amtspersonals sind in unserem Casino.«
    »Der erste Zug gewinnt; wer zuerst kommt, der mahlt zuerst. Du mußt diesem Mädchen und ihrem Vater zuvorkommen.«
    »Du meinst, daß ich Anzeige machen soll?«
    »Natürlich! Ihren Vater jagst Du aus der Arbeit!«
    »Hm! Das geht nicht! Wir bekommen keinen Mann wieder, der so ist wie er. Er ist treu und zuverlässig und arbeitet für Drei. Das muß ich aufrichtig gestehen. Uebrigens hat er mir gekündigt.«
    »Hat er eine andere Stelle?«
    »Ja; aber ich werde dafür sorgen, daß er sie nicht erhält!«
    »Das ist klug. Das Mädchen muß arretirt werden, und ihren Vater zwingst Du, bei Dir zu bleiben. Das wird zu Deinem Ruhme dienen, denn man wird sich sagen, daß Du dem Vater nicht entgelten läßt, was die Tochter gesündigt hat. Ich hoffe, daß Du meinen Rath befolgen wirst!«
    »Er ist der beste, den Du mir geben kannst. Du bist ein Schlaukopf vom Scheitel bis zur Zehe. Ich danke Dir, Onkel!«
    »Schon gut! Laß keinen Augenblick vergehen. Die Kinder dieser Welt sind klüger als die Kinder der Seligkeit. Man darf ihnen keinen Augenblick des Ueberlegens gönnen.«
    Er ging. Fritz nahm einen Briefbogen und schrieb:
     
    »Lieber Freund!
     
    Soeben erfahre ich zu meinem allergrößten Erstaunen, daß Du unseren Schreiber engagiren willst. Ich hoffe, daß dieses Gerücht ein ersonnenes ist! Du weißt, wie wir stehen, und daß Du zum großen Theile mit unserem Capitale arbeitest. Sollen wir vielleicht von Dir selbst gezwungen werden, es Dir zu entziehen?
    Fritz Seidelmann.«
     
    Er adressirte den Brief und klingelte. Nach wenigen Augenblicken trat ein junger Bursche ein, der hier im Geschäfte als Markthelfer angestellt war.
    »Du gehst jetzt sofort in die Kreisstadt, um dem Kaufmann Strauch diesen Brief zu bringen; weißt Du, Dem, welcher Mitglied unseres Casinos ist!«
    »Ich weiß es, Herr Seidelmann.«
    »Vorher aber gehst Du zum Gensd’arm. Ist er zu Hause, so soll er sogleich zu mir kommen.«
    Der Markthelfer entfernte sich mit dem Briefe, um diese Befehle auszurichten. Er war kaum fort, so kehrte der Oheim zurück. Er hatte ein Zeitungsblatt in der Hand und fragte:
    »Hast Du den heutigen ›Stadt-und Landboten‹ bereits gelesen, Fritz?«
    »Nein.«
    »Da, horch, diesen kurzen Artikel! Wenn das wahr ist, so können wir uns nur in Acht nehmen!«
    Er las folgende Zeilen vor:
     
    »Jedermann weiß, daß vor nun bereits längerer Zeit ein geheimnißvolles Wesen in der Residenz aufgetaucht ist, welches die dortigen Einwohner auf unbegreifliche Weise mit Wohlthaten überschüttet und sich dabei als ein furchtbarer Feind der Verbrecherwelt erweist. Man hat diesem sich in das tiefste Dunkel hüllenden Wesen den Namen ›Fürst des Elendes‹ gegeben.
    So poetisch dieser Name klingt, der Träger desselben gehört doch nicht in das Reich der Poesie, sondern in dasjenige der Wirklichkeit, wie sich jetzt von Neuem ersehen läßt. Der Fürst des Elendes scheint nämlich seit Kurzem seinen Weg auch in unsere Gegend zu finden.
    Vorgestern erhielt der Bürgermeister von Zackengrün, wo bekanntlich der Hungertyphus grassirt, von einem Unbekannten fünftausend Gulden für die Leidenden eingehändigt. Nach seinem Namen gefragt, sagte der Fremde, daß er der Fürst des Elendes sei, und verschwand.
    An demselben Tage wurde der Pfarrer von Bodenbach, wo kürzlich vier Maurer verschüttet und todt unter den Trümmern hervorgezogen wurden, von einem unbekannten Herrn besucht, welcher ihm für jede der armen, betroffenen Familien fünfhundert Gulden einhändigte. Er nannte sich den Fürsten des Elendes und zog sich so schleunig zurück, daß ihm der würdige Geistliche nicht einmal zu danken vermochte.
    Ferner weiß man, daß sich seit einiger Zeit in unserem eigenen Orte falsche Spieler herumtreiben. Es will der Polizei trotz anstrengendster Thätigkeit nicht gelingen, ihrer habhaft zu werden. Da empfängt der Bürgermeister einige Zeilen, in denen der Ort angegeben ist, an welchem sich die Gauner des Abends befinden werden. Der Wink wurde befolgt, und am Abende geriethen drei der berüchtigtsten Kümmelblättler in die Hände der rächenden Nemesis. Der Eine ist Diener des Barons Franz von Helfenstein gewesen, welchem letzteren Herrn bekanntlich das Kohlenbergwerk ›Gottes Segen‹ gehört, welches in der Nähe unseres Nachbarortes liegt. Die Zeilen aber waren mit dem Namen ›Fürst des Elendes‹ unterschrieben. Die Gauner hatten bereits mehrere Familien unglücklich gemacht.

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