Der verlorne Sohn
tugendhaft von ihr!«
»Pah! Tugend! Berechnung war es! Das weibliche Geschlecht ist zur Liebe geboren; die Liebe von sich zu weisen, heißt, den Willen des Schöpfers mißachten.«
Ueber das glatte Faungesicht des Heiligen zuckte ein ganz und gar undefinirbares Lächeln.
»Ich widerspreche Dir nicht,« sagte er. »Hat doch auch Judith zu Ehren des Herrn und zur Rettung ihres Volkes das Lager des Holofernes getheilt! Also, Du wurdest abgewiesen?«
»Leider! Und wie! Sie drohte sogar mit Ohrfeigen!«
»Ein streitbares Mädchen!«
»Ich mußte zur List greifen. Ich schlich mich in ihre Kammer. Sie schlief, und da –«
Er hielt inne. Sein Oheim nickte ihm zu und fragte:
»Und da – was weiter?«
»Das kannst Du Dir denken. Sie hat sich zwar gewehrt wie ein Teufel; sie hat sogar um Hilfe gerufen, aber das hat ihr nichts nützen können.«
»Lieber Fritz, das kann ich nicht gutheißen. Laß Dir mit den Worten der heiligen Schrift sagen, daß –«
»Halt ein, Oheim! Bleibe mir mit Deinen Bibelsprüchen fern! Ich weiß doch, wie wir zu einander stehen, und was ich von Dir zu halten habe. Hilf mir lieber aus der Patsche!«
»Na, worin besteht denn diese?«
»Nun das Mädchen ist die Tochter unseres Schreibers. Heute verlangt der Kerl von mir, seiner Tochter Alimente zu zahlen.«
Der Oheim machte eine Bewegung des Erstaunens.
»Das hat er gewagt, wirklich gewagt?« fragte er.
»Wirklich!«
»Philister über Dir, Simson! Ergreife die Säulen des Gebäudes und brich es zusammen!«
»Das mag der Teufel fertig bringen! Ich bin kein Simson und kein Riese; in dieser Angelegenheit am Allerwenigsten!«
»Das Mädchen ist also in Hoffnung?«
»Sie erwartet ihre Stunde.«
»Fritz, Fritz, was für ein gottloser, und was noch viel, viel schlimmer ist, was für ein unvorsichtiger Mensch bist Du geworden?«
»Hofmeistere nicht! Gieb mir lieber einen guten Rath!«
»Hat sie einen Geliebten?«
»Sie hat niemals einen gehabt.«
»Geht sie zu Tanze?«
»Nie.«
»Das ist freilich fatal!«
»Es ist ihr leider nichts nachzuweisen. Sie lebt nur in ihrer Familie; sie besucht nicht einmal eine Rockenstube.«
»So bist Du ganz gewiß, daß sie Dich als Vater angiebt?«
»Ganz gewiß!«
»Aber Dir fällt ja der Schwur zu!«
»Das weiß ich wohl, doch werde ich gar nicht zum Eide kommen. Sie kann nämlich beweisen, daß ich es bin, der sie in der Kammer aufgesucht hat.«
»Das wäre allerdings verteufelt unangenehm! Die Ehre Deines und unseres Namens würde verloren sein! Weißt Du vielleicht, welchen Beweis sie zu erbringen vermag?«
»Ja. Sie hat mir während der Gegenwehr, welche sie leistete, einen Ring vom Finger gezogen. Den hat sie behalten. Wenn sie ihn vorzeigt, kann ich nichts machen.«
Da trat August Seidelmann einen Schritt zurück, schlug die Arme über die Brust, betrachtete seinen Neffen mit überlegenem Blicke, stieß ein kurzes Lachen aus und sagte:
»Fritz, Fritz, bist Du denn mit Blindheit geschlagen?«
»Ich blind? Wieso?«
»Sagt nicht der Heiland: Petro, stecke Dein Schwerdt in die Scheide, denn wer mit dem Schwerdte sündigt, der wird durch das Schwerdt umkommen?«
»Was geht mich Dein Petrus an! Ich verstehe Dich nicht, rede darum deutlicher!«
»Das soll heißen: Wer Anderen eine Grube gräbt, der fällt selbst hinein. Das Mädchen muß in ihre eigene Grube stürzen. Die Schlinge, welche diese Dirne Dir legt, wird sich um ihren Hals zusammenziehen!«
»Das wäre mir allerdings unendlich lieb; ich begreife nur nicht, wie es ermöglicht werden soll.«
»So höre! Der Ring ist Dein, wirklich Dein?«
»Ja. Ich habe ihn gleich am andern Morgen vermißt. Ich wußte, daß ich ihn bei ihr anstecken gehabt hatte.«
»Hast Du mit ihr davon gesprochen?«
»Ja. Sie hat gesagt, daß sie suchen will; aber später sagte sie, daß ich selber suchen solle. Sie kehrte nämlich an demselben Tage zu ihren Eltern zurück. Sie war nur eine Woche lang als Aushilfe bei uns.«
»Ist der Ring werthvoll?«
»Ich habe fünfzehn Gulden bezahlt.«
»Hat sie auch Dich zu bedienen gehabt? Ist sie auch in Deinem Zimmer gewesen, vielleicht gar während Deiner Abwesenheit?«
»Täglich einige Male.«
»Und Du siehst nicht ein, daß sie den Ring gestohlen hat!«
Fritz trat einen Schritt zurück, riß die Augen auf und rief:
»Alle Teufel! Du hast Recht!«
»Mit Hilfe dieses Diebstahles will sie Geld, Alimente von Dir erpressen! Bist Du mit dem Gerichtspersonal bekannt?«
»Sehr gut sogar. Einige Mitglieder
Weitere Kostenlose Bücher