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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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ausdrücklich verboten hat er es auch nicht?« fragte Seidelmann mit auffälliger Dringlichkeit.
    »Nein.«
    »Nun also, wie sah er aus?«
    »Ich werde doch für jetzt noch davon schweigen. Ich werde mir diese Angelegenheit schnell, aber reiflich überlegen, um in der nächsten Gemeinderathssitzung meine Vorlagen machen zu können. Gute Nacht, meine Herren!«
    Er entfernte sich rasch, indem er die Blinde beim Arme nahm und hinausführte. Hinter ihm erschollen laute, lebhafte Stimmen. Mit der Erwähnung des Fürsten des Elendes war ein Thema zur Sprache gekommen, wie so interessant es gewiß kein zweites gab. Dasselbe wurde denn auch auf das Ausführlichste besprochen. Ein Jeder hatte Etwas, was die Anderen noch nicht wußten, von diesem räthselhaften Wesen gehört, und das mußte natürlich Alles erzählt werden.
    Darüber kehrte Fritz von seinem Ausgange zurück. Er hatte sich natürlich auf seinem Zimmer wieder aus-und umgezogen. Auch er war nicht wenig betreten darüber, daß der Fürst des Elendes sich im Orte befunden habe oder sich vielleicht sogar noch in demselben befinde. Doch war es ihm unangenehm, sich an diesem Gespräche zu betheiligen, und darum fragte er mit lauter Stimme:
    »Apropos, meine Herren, wissen Sie bereits, daß uns morgen ein seltener Kunstgenuß bevorsteht?«
    Alle wendeten sich zu ihm und fragten ihn, welcher Kunstgenuß dies wohl sei.
    »Es ist eine Gymnastikertruppe angekommen, nämlich in der Nachbarstadt. Die Leute wollen über die Grenze, vorher aber erst eine Vorstellung geben, jedenfalls, um sich das Reisegeld zu verschaffen.«
    »Das wird ihnen schwer fallen, zumal bei den jetzigen Zeiten.«
    »Warum? Der Pöbel hat allerdings kein Geld zu so Etwas. Hier bei uns sind solche Vorstellungen äußerst selten, und so ist es die Pflicht Derer, welche die Mittel dazu haben, diese Leute zu unterstützen. Ich werde mir die Sache mit ansehen. Du auch, Vater?«
    »Ja. Wann ist es?«
    »Morgen Abend. Und Du, Onkel?«
    »Die Freuden der Welt sind nicht die meinigen. Trachtet am Ersten nach dem Reiche Gottes! Aber vielleicht gelingt es mir, den sogenannten Künstlern, welche doch nur verlorene Seelen sind, ein echtes, rechtes Missionswort an das Herz zu legen. Ich gehe mit, denn ich denke an die Zeilen: Ach Gott, wie muß das Glück erfreun, der Retter einer Seele sein!«
    Auch Eduard Hauser hatte mit seinem Vater sich den Vortrag mit angehört. Auf dem Nachhauseweg fragte er diesen:
    »Was sagst Du dazu, Vater?«
    »Ein rauschendes Wasser, welches keine Mühle treibt. Es glitzert und funkelt im Sonnenlichte, aber es ist nichts nütze.«
    »Du hast Recht. Ich kann diesen Schuster nicht leiden, nicht ausstehen. Es ist mir immer, als sei ich, sobald ich ihn sehe, der Vogel, der von einer Klapperschlange angeblickt wird.«
    »Er ist ein Heuchler, ein Gottloser. Er mag seine Predigten seinem Bruder, seinem Neffen und dem Baron halten. Die nur allein sind schuld an unserem Elende. Hast Du Geld gegeben?«
    »Zehn Kreuzer.«
    »Ich auch. Er guckte Einen so an, daß man es gar nicht wagen konnte, gar nichts oder nur einen Kreuzer zu geben. Und wir brauchen das Geld ja selbst so sehr nothwendig.«
    »Gott wird helfen, Vater, wenn auch der Schuster nicht!«
    »Was thust Du heute Abend noch? Gehst Du vielleicht zum Nachbarn hinüber?«
    Eduard schwieg ein Weilchen und antwortete dann:
    »Nein.«
    Dieses kleine Wörtchen kam so gepreßt zwischen seinen Lippen hervor, daß es dem Vater auffiel.

»Nicht?« fragte er. »Warum nicht? Du bist doch sonst alle Abende drüben gewesen.«
    »Er sieht es nicht mehr gern!«
    »Ja, ich habe es bemerkt, als ich Kohlen und Holz von ihm borgte. Höre, Eduard, ich glaube zu wissen, weßhalb!«
    »Vielleicht irrst Du Dich!«
    »O nein. Er wird denken, daß Du Absicht auf das Engelchen hast.«
    »Er mag es denken!«
    Das stieß der junge Mann so rasch und rauh hervor, daß sein Vater sofort fragte:
    »Wie kommst Du mir vor? Ich selbst und auch die Mutter haben gedacht, daß Du mit ihr einverstanden bist. Ist das etwa nicht der Fall?«
    »Nein. Fällt mir gar nicht ein!«
    »Na, na! Das Engelchen ist ein gutes und braves Mädchen. Sie wäre uns als Schwiegertochter recht gewesen. Was hat es denn gegeben, daß Du so unwirsch auf sie bist?«
    »Hm! Nichts als nur Eins. Aber lassen wir das, Vater! Es muß überwunden werden, und dann denke ich nicht mehr daran.«
    »Ah! Sie will Dich nicht? Oder hat sie gar bereits einen Anderen? Nun, ich menge mich nicht gern in solche

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