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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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duckte er sich nieder und bewegte sich nur sehr langsam und vorsichtig weiter. Ja, da stand sie vor ihm, die Gestalt, bis über den Kopf in das Tuch gehüllt, bewegungslos.
    »Er scheint auf Hauser zu warten,« dachte Arndt. »Ah, das Gesicht ist verhüllt! Sollte es der Waldkönig sein? Ich darf ihn auf keinen Fall aus dem Auge lassen. Will er mit Hauser reden, so thut er es nicht in der Nähe des Forsthauses, sondern er wird warten, bis der Bursche aus dem Hause tritt und sich dann unter den Bäumen schnell parallel mit der Straße hinabziehen, um dann plötzlich auf diese Letztere hinauszutreten und Hauser zu überraschen. In diesem Falle muß ich aber hören, was er mit ihm zu sprechen hat!«
    Seine Vermuthung erwies sich als ganz richtig. Als Eduard nach einiger Zeit drüben aus der Thüre des Forsthauses trat, setzte sich die Gestalt in Bewegung, in weiten, schnellen Schritten durch den tiefen Schnee watend. Arndt folgte ihm, indem er hinter jedem Baume vorsichtig Deckung suchte. Er konnte nicht bemerkt werden, da die hohen Stiefel des Anderen in dem tiefen Schnee ein nicht unbeträchtliches Geräusch hervorbrachten.
    Eduard Hauser hatte keine Ahnung davon, daß er beobachtet werde. Er schritt langsam und in Gedanken versunken die Straße hinab, bis ihn plötzlich ein lautes, barsches Halt! aus seinem düsteren Sinnen emporschreckte. Er blieb stehen. Rechts aus dem Walde kam eine schwarze Gestalt über den zugewehten Straßengraben gesprungen und stellte sich vor ihn.
    Er erschrak und trat einen Schritt zurück. Die Gestalt war mit einer schwarzen Maske versehen und sah ganz genau so aus, wie man den Pascherkönig zu beschreiben pflegte.
    »Was machst Du hier?« fragte der Verhüllte, welcher allerdings jetzt sein Betttuch abgeworfen und hinter sich liegen gelassen hatte.
    Seine Stimme klang dumpf und tief unter der Larve hervor. Selbst ein Bekannter hätte ihn an derselben nicht zu erkennen vermocht. Eduard antwortete furchtlos: »Nichts. Ich gehe nach Hause.«
    »Wo warst Du?«
    »Beim Förster.«
    »Was hast Du denn da zu thun?«
    »Was geht denn Dich das an?«
    »Oho, sehr viel! Kennst Du mich?«
    »Nein.«
    »Ich bin der Waldkönig und muß wissen, was in meinem Reviere geschieht. Was? Du erschrickst nicht vor mir?«
    »Nein. Ich habe ein gutes Gewissen.«
    »Wer bist Du?«
    »Auch das geht Dich nichts an!«
    »Bursche, rede manierlicher, sonst sollst Du bald begreifen, wie man mit mir umzugehen hat! Ich kenne Dich. Du bist der Hausers Eduard. Du arbeitest für den Seidelmann?«
    »Jetzt nicht mehr.«
    »Ah! Hat er Dich ab gelohnt?«
    »Ja.«
    »Das ist recht! Ich habe längst ein Auge auf Dich gehabt. Du mußt in meine Dienste treten.«
    »Ich muß? Wer sagt das?«
    »Ich!«
    »So sage ich Dir, daß Du mir nichts zu befehlen hast. Von einem Müssen ist hier gar keine Rede!«
    »Nur nicht so hitzig, mein Junge! Hast Du vielleicht einmal gehört, wie wenig ich mir aus einem Menschenleben mache?«
    »Ja; Du bist ein gottvergessener Bösewicht!«
    »Hallunke! Wenn ich Dir nun für diese Beleidigung eine Kugel durch den Kopf jage!«
    »So ist’s aus mit mir, weiter nichts! Was mache ich mir daraus! Uebrigens scheinst Du gar nicht daran zu denken, daß man sich seiner Haut wehren kann!«
    »Gegenwehr würde Deine Lage nur verschlimmern. Hier rechts und links stehen meine Leute, die ihre Gewehre auf Dich gerichtet haben. Also, willst Du in meine Dienste treten?«
    »Nein!«
    »Warum nicht?«
    »Weil ich ein ehrlicher Kerl bin, aber kein Spitzbube!«
    »Ein dummer Mensch bist Du, aber kein gescheidter Kerl! Hältst Du denn den Schmuggel für ein Verbrechen?«
    »Ja.«
    »Haha! Warum denn?«
    »Weil er vom Gesetze verboten ist.«
    »Einfaltspinsel! Warum haben sie diese Gesetze gemacht, um unser gutes Geld in ihre Taschen zu stecken. Ist es etwa Recht, daß das Fleisch, das Leder und andere Dinge hier an einem Punkte doppelt so theuer sind, als eine Viertelstunde davon? Das ist nicht Natur, das will Gott nicht, sondern die Menschen haben es gemacht.«
    »So haben sie ein Recht dazu. Der König versteht mehr davon als Du und ich. Er wird schon wissen, was er thut.«
    »Nichts weiß er, gar nichts. Nur ärgern will er uns!«
    »Laß Dich nicht auslachen! Dem König wird viel daran gelegen sein, ob Du Dich ärgerst oder nicht! Er will haben, daß wir uns Alles, was wir machen können, selbst machen, und nicht das Geld dafür aus dem Lande hinaustragen.«
    »Schau, schau, was Du für ein gescheidter Kerl bist! Na,

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