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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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wäre eine Handhabe!« meinte der Fromme. »Könnte man ihn noch in den Verdacht des Paschens bringen, so – – –«
    »Verdacht?« fragte der Sohn. »Was nützt uns ein Verdacht! Paschen muß er, wirklich paschen!«
    »Das thut er aber nicht!«
    »Er muß es thun, wenn auch unbewußt. Ich habe auf dem Nachhauseweg darüber nachgedacht. Haben wir feine Spitzen da?«
    »Ja.«
    »Nun, so darf es uns in diesem Falle auf den Verlust einiger Ellen nicht ankommen. Ich sah vorhin durch seinen Stubenladen. Er ging zu Bette. Seinen Rock aber ließ er in der Stube.«
    »Sprich deutlicher!«
    »Ist das noch nicht deutlich genug? Man schleicht sich in seine Stube und steckt ihm eine Partie Spitzen zwischen das Futter seines Rockes; die sind fein; er bemerkt sie gar nicht. Dann schickt man ihn in irgend einer Weise über die Grenze und macht Anzeige. Er wird ergriffen; es kommt heraus, daß er sich als Waldkönig unterschrieben hat –«
    Da fuhr der Fromme von seinem Stuhl auf.
    »Bei Salomo und den Propheten, Du bist ein gescheidter Kopf!« rief er. »Ja, so muß es gemacht werden! Nicht, Bruder?«
    »Hm! Ja,« antwortete der Gefragte. »Der Plan ist außerordentlich gut. Kann man denn in die Stube?«
    »Sehr leicht,« antwortete Fritz. »Die Hinterthür macht keine Schwierigkeiten, und an der Stubenthür befindet sich ein Schraubendrücker, wie wir auch welche haben. Das nehme ich auf mich. Aber bald muß es geschehen, möglichst noch diese Nacht.«
    »Wenn man es so einrichten könnte, daß er vor den Grenzern flieht, oder sich an ihnen vergreift!«
    »Auch das ist nicht sehr schwierig. Die Hauptsache ist, daß wir die Spitzen in seinen Rock bringen. Ich schlage vor, daß wir es sofort versuchen. Was sagt Ihr dazu?«
    »Dich treibt die Rache wegen dem Engelchen; aber Du hast Recht. Gilt er als der Pascherkönig, so läßt man uns in Ruhe. Ueberhaupt juckt es mir in allen Fingern, dieser frommen Sippe ein Tüchtiges auszuwischen. Nicht, Bruder?«
    Der Vorsteher der Gesellschaft der Seligkeit nickte und antwortete:
    »Du hast Recht. Das sind Leute, die in Schafskleidern gehen, inwendig aber sind sie reißende Wölfe. Sie sind räudig geworden und müssen ausgestoßen werden. Sie gehören zu dem Otterngezüchte, welches dem zukünftigen Zorne nicht entgehen wird. Ihr thut ein Gott wohlgefälliges Werk, wenn Ihr sie vernichtet!«
    Der Plan wurde weiter und eingehender besprochen. Dann nahm der Kaufmann die Spitzen aus dem geheimen Behältnisse hinter dem Bilde. Es wurden einige Ellen abgeschnitten, und dann versah Fritz sich mit einer kleinen Laterne und Allem, was zu diesem Gange nöthig erschien. Auch eine Scheere, Nähnadel und Zwirn steckte er ein, um das losgetrennte Futter wieder annähen zu können. Nach diesen Vorbereitungen machte er sich auf den Weg, nur eine Viertelstunde später, nachdem Arndt die Leiter wieder weggestellt und den Garten verlassen hatte.
    Er glaubte, die anderen Beiden, Vater und Oheim, würden sich unterdessen zur Ruhe begeben; aber die Angelegenheit war ihnen ebenso wichtig, wie interessant, und darum beschlossen sie, wach zu bleiben und seine Rückkehr zu erwarten.
    Es verging wohl über eine Stunde, ehe er kam. Er bemerkte, daß sie noch Licht brennen hatten, und ging zu ihnen.
    »Nun, ist’s gelungen?« fragte sein Vater erwartungsvoll.
    »Ja,« antwortete er.
    »Aber lange Zeit hat es gedauert. Konntest Du nicht hinein?«
    »O, ganz gut. Aber der Rock machte mir zu schaffen. Ich habe keine Uebung im Nähen und mußte, nachdem ich die Naht aufgetrennt und die Spitzen in das Futter geschoben hatte, das Ding doch so zumachen, daß er nichts bemerken kann.«
    »Die Hauptsache ist, daß er es nicht fühlen oder gar sehen kann, daß sich Etwas im Rocke befindet.«
    »Habt keine Sorge! Ich habe meine Sache gut gemacht.«
    »Das ist immer nur der Anfang. Wie aber wird es möglich sein, ihn über die Grenze zu bringen?«
    »Hat er nicht Verwandte drüben?« fragte der Fromme.
    »Ja,« antwortete Fritz. »Warum?«
    »Man müßte einen Brief an ihn schreiben, in welchem er von diesen Verwandten zu einem Besuche eingeladen würde.«
    »Das geht nicht; das ist zu umständlich, auch müßten wir da viel zu lange Zeit warten.«
    »Wieso?«
    »Der Brief käme doch mit der Post; wir müßten also vorher über die Grenze, um ihn drüben aufzugeben. Es könnten drei Tage vergehen, ehe die Sache zur Perfection kommt.«
    »Das ist wahr,« sagte der Vater. »Und dazu kommt, daß das Briefschreiben immer

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