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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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nirgends Schmerzen.«
    »Ich auch nicht. Was habt Ihr noch verhandelt?«
    Der Vater erzählte es dem Sohne. Dieser zuckte mit den Achseln und sagte:
    »Der Kerl ist ein Taschenspieler und wohl auch zugleich Polizist. Er hat geglaubt, uns verblüffen zu können.«
    »Ich habe ihm gesagt, daß er uns zu dumm ist. Hahaha, wir und so gemüthlich ein Geständniß ablegen!«
    »Wir haben es nicht nöthig. Erstens kann kein Mensch beweisen, daß wir damals den Mord mit angesehen haben; zweitens ist es mit dem Leichendiebstahle ganz dasselbe, und drittens, was den Waldkönig betrifft, das ist freilich eine verteufelte Geschichte!«
    »Wegen meiner Unterschrift?«
    »Natürlich!«
    »Was beweist sie?«
    »Daß Du der Waldkönig bist.«
    »Steht das darin?«
    »Deutlich allerdings wohl nicht.«
    »Na, so mag man mir Beweise bringen! Und wenn es schlimm geht, so kann eine solche Unterschrift ja sehr leicht gefälscht sein. Ich fürchte mich nicht. Den ersten und den letzten der drei Punkte kann uns Keiner beweisen; anders steht es mit dem zweiten. Der ist schlimm: Leichenraub, Brandstiftung und Menschenraub. Das brächte uns allerdings für das ganze Leben auf das Zuchthaus.«
    »Verdammt!«
    »Na, ja, nur nicht verzweifeln! Wir schaffen nachher ein Kind in das Grab; dann wollen wir sehen, wer uns Etwas anhaben kann. Es ist draußen Abend geworden. Wir müssen lange hier gelegen haben, und es wird Zeit sein, aufzubrechen. Komm, wollen nach Werkzeugen suchen!«
    Nur kurze Zeit später verließen sie das Haus auf der hinteren Seite. Sie wandten sich zum Dorfe hinaus und der Stadt entgegen. Beide hatten große Filzschuhe an und trugen Larven vor dem Gesicht.
    Trotz der Höhe des hier liegenden Schnees blieben sie nicht auf der Straße, sondern sie schlugen einen Seitenweg ein, der sie in die unmittelbare Nähe des Gottesackers führte. Sie umgingen denselben und stiegen dann an einer Stelle, wo die Mauer etwas niedriger war, über dieselbe hinweg.
    Kaum waren sie hinüber, so erhob sich in der Nähe etwas Weißes und gar nicht weit davon etwas ganz Ähnliches. Das waren zwei weiße Betttücher, unter denen zwei Männer steckten.
    »Vetter!« flüsterte der Eine.
    »Ja.«
    »Haben Sie es gesehen?«
    »Natürlich!« antwortete Arndt dem alten Förster. »Sie sind ja Beide beinahe über mich weggestolpert!«
    »Aber, bei Gott, ein gescheidter Kerl sind Sie doch!«
    »Hm!«
    »Woher wußten Sie denn, daß sie den Fußweg einschlagen würden, he?«
    »Weil ihnen auf der Straße leicht Jemand begegnen konnte.«
    »Und daß sie gerade hier und nirgendwo anders übersteigen würden?«
    »Weil die Mauer hier am Niedrigsten ist.«
    »Das Thor vorn ist noch niedriger.«
    »Aber es liegt eben vorn, der Beobachtung mehr ausgesetzt. Darum war es nicht sehr geistreich von dem Amtmann, daß er sich gerade dorthin postirte.«
    »Dieser Herr giebt mir überhaupt Spaß. Er will die Beiden partout höchst eigenhändig fangen. Mit welcher rührenden Bereitwilligkeit er seine Betttücher hergeborgt hat. Wir wollen hin zu ihm.«
    Sie schritten leise an der Mauer hin, bogen um die Ecke und näherten sich dem Thore. Da erhob sich eine dritte Gestalt unter einem Betttuche. Es war der Amtmann.
    »O weh!« sagte er. »Sie verlassen Ihre Posten? Nun sollten sie gerade jetzt kommen und uns sehen. Sie werden mir den ganzen Spaß verderben!«
    »Wohl nicht, denn sie sind bereits da.«
    »Was? Wirklich? Wo?«
    »Da hinten, wo ich vermuthete, sind sie übergestiegen.«
    »Diese Hallunken! Hier hatten sie es bequemer!«
    »Solche Leute pflegen mehr auf die Sicherheit, als auf die Bequemlichkeit zu sehen, Herr Amtmann.«
    »So habe ich mich also doch verrechnet! Aber sie entgehen mir trotzdem nicht. Schleichen wir hin.«
    »Warum denn?«
    »Um sie zu beobachten.«
    »Das wollen wir ja unterlassen!«
    »Unterlassen? Das wäre ein großer Fehler. Wir müssen doch erfahren, welches Grab sie öffnen?«
    »Sie finden es später ganz leicht. Sie brauchen nur den Fußtapfen nachzugehen. Ueberdies wird es ihnen nicht gelingen, das Grab geradeso wieder mit Schnee zu bedecken, wie es vorher gewesen ist. Wenn wir uns ihnen nähern, so können sie uns bemerken, und dann wäre Alles umsonst.«
    »Hm, schade wäre es, jammerschade! Gehen wir also!«
    Die drei Späher hatten sich blos überzeugen wollen, ob die Schmiede die Leiche wirklich hier holen würden. Sie kehrten nach Helfenstein zurück, ohne sich dort sehen zu lassen, und begaben sich sofort nach dem Gottesacker, dessen

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