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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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zu vertauschen.«
    Der Sohn hustete, um seinen Vater zu warnen; ihm schienen diese Fragen gefährlich zu sein. Doch der Alte fuhr fort: »Lebt der Besitzer dieses Schlosses?«
    »Ja, und auch der Eigenthümer.«
    »Wer ist der Besitzer?«
    »Ein Baron.«
    »Und der Eigenthümer?«
    »Jenes vertauschte Kind.«
    Es läßt sich gar nicht beschreiben, welchen Eindruck diese Antworten machten. Es wurde zwar kein Name genannt, doch waren sie so exact, daß es dem Frager eigentlich hätte bange werden sollen. Dennoch fragte er jetzt weiter: »Lebt der Vater dieses Kindes noch?«
    »Nein.«
    »Woran ist er gestorben?«
    »An einem Rasirmesser. Er wurde ermordet.«
    »Wer war der Mörder?«
    »Ein Baron.«
    »Lebt dieser Baron noch?«
    »Ja.«
    »Wo?«
    »Heute hier, sonst in der Hauptstadt.«
    Es überlief den Frager und seinen Sohn eiseskalt. Das war wirkliche Allwissenheit! Aber da keine Namen genannt wurden, so konnte man es weiter wagen: »Wann geschah dieser Mord?«
    »Vor zwanzig Jahren.«
    »Wo?«
    »Ganz in der Nähe.«
    »Gab es Mitwisser?«
    »Ja.«
    »Wen?«
    »Eine Zofe.«
    Es dauerte doch jetzt eine gute Weile, ehe die nächste Frage ausgesprochen wurde.
    »War das der einzige Mord an jenem Tage?«
    »Nein.«
    »Wer wurde noch ermordet?«
    »Ein Offizier.«
    »Von wem?«
    »Von einem Baron.«
    »Wo?«
    »Im Walde.«
    »Gab es auch hier Mitwisser?«
    »Ja.«
    »Wer sind sie?«
    »Ein Vater und sein Sohn.«
    »Giebt es Leute, die das wissen?«
    »Einen.«
    »Hm! Ah! Oh!« hustete der Alte. »Wer ist dieser?«
    »Ein Försterssohn.«
    »War er mit in den Mord verflochten?«
    »Er wurde unschuldig verurtheilt.«
    »Und er weiß von den beiden Mitwissern?«
    »Ja.«
    »So lebt er noch?«
    »Ja.«
    »Wo lebt er?«
    »Jetzt in einer Schänkwirthschaft.«
    »In welchem Lande?«
    »Namen dürfen nicht genannt werden.«
    »Warum zeigt er den Schuldigen nicht an?«
    »Er hat seine Gründe.«
    »Warum nennt er diese beiden Zeugen seiner Unschuld nicht?«
    »Sie haben ihm Gutes gethan.«
    »Haben sie noch Böses von ihm zu erwarten?«
    »Er will sie beschützen.«
    »Werden sie ihn wiedersehen?«
    »Sie sehen ihn.«
    »Wo?«
    »In dem Hause, in welchem er sich jetzt befindet.«
    »Was haben diese Beiden heute vor?«
    »Eine böse That.«
    »Wird sie gelingen?«
    Jetzt horchte Arndt etwas länger nach der Seite hin und antwortete dann:
    »Die Auskunft wird verweigert, und der Geist hat sich entfernt!«
    »O weh! Warum denn?«
    »Weil Sie sich nur nach bösen Thaten erkundigen. Sie haben sogar zweimal nach dem Gelingen eines Verbrechens gefragt. Der Geist ist zornig; er wird mir nicht sobald wieder Auskunft ertheilen. Das hat man davon, wenn man unbekannten Leuten gefällig ist!«
    »Aber, wir stehen ja zu diesen Thaten gar nicht in Beziehung!«
    »Das glaube ich sehr gern. Ich habe sogar bemerkt, daß Sie die Schuldigen wissen wollen, um sie anzuzeigen; aber über Verbrechen muß man schweigen.«
    »War Ihnen eine meiner Fragen verständlich?«
    »Natürlich! Ich habe sie ja gehört!«
    »Das wollte ich nicht sagen. Ich meine, ob Sie die Verhältnisse kennen, nach denen ich fragte?«
    »Ich, als Fremder? Es war von einem Baron und von einem Schlosse die Rede. Wo soll man Beide suchen? Es giebt so viele Schlösser und so viele Barone! Eins habe ich freilich verstanden, und das betrifft Sie!«
    Der Alte entfärbte sich.
    »Was meinen Sie?« fragte er.
    »Den Kindestausch.«
    »Sapperment! Was wollen Sie sagen?«
    »Daß Sie es sind, welche die Kindesleiche aus dem Grabe entfernt und nach dem Schlosse geschafft haben.«
    »Wir? Oh, was fällt Ihnen ein!«
    »Es ist die Wahrheit. Der Geist antwortet nicht mehr, er nennt überhaupt keine Namen. Wohin haben Sie damals das lebende Kind gebracht?«
    Der Alte sprang, gerade wie sein Sohn, von seinem Stuhle auf und rief:
    »Herr, Sie sind wohl des Teufels?«
    »Pah! Ich bin keineswegs des Teufels, sondern ich weiß sehr wohl, was ich sage.«
    »Aber ich verstehe Sie nicht!«
    »Nun, so will ich denn verständlicher sprechen, und die Faxe mag zu Ende sein.«
    »Faxe? Hätten Sie Faxen gemacht?«
    »Ja. Der Spiritismus war Theater.«
    »Es war nicht die Wahrheit?«
    »Nein, und doch ja! Nein, weil ich Sie täuschte, und ja, weil meine Antworten stimmten, wie Sie ebenso gut wissen wie ich selbst. Ich bin kein Medium.«
    »Nicht? Sapperment!«
    »Auch kein Spiritist.«
    »Aber Sie sagten doch –«
    »Ich bin vielmehr der Fürst des Elendes.«
    Bei diesen Worten stand auch er vom Stuhle

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