Der verlorne Sohn
daß ich in bester Absicht zu Ihnen komme –«
»Beweisen Sie es!«
»Das will ich ja! Geben Sie mir nur Zeit dazu!«
»Na, meinetwegen; reden Sie!«
»Man steht im Begriffe, sie gerichtlich zur Rechenschaft zu ziehen, weil Sie –«
»Weshalb?«
»Sie unterbrechen mich abermals. Aber ich will Ihre Frage kurz beantworten: Weil Sie einst Brandt verurtheilen ließen, obgleich sie seine Unschuld beweisen konnten; weil Sie den kleinen Baron von Helfenstein stahlen, nachdem Sie an seiner Stelle eine Leiche verbrennen ließen, und weil sie drittens einer der Waldkönige sind.«
»Alles Unsinn, lauter Unsinn!«
»Pah! Sie waren im Walde und sahen, daß Franz von Helfenstein den Hauptmann erschoß; sie holten vor dem Brande des Schlosses die Leiche vom Gottesacker, und was den Waldkönig betrifft, so habe ich ja Ihre Unterschrift als Beweis in den Händen.«
»Sie reden wohl im Fieber? Wer kann mir beweisen, daß ich Zeuge des Mordes war? Wer war dabei, als die Leiche des Kindes gestohlen wurde? Und Ihre Unterschrift da, die ist gefälscht.«
»Mir können Sie das sagen, dem Untersuchungsrichter aber nicht.«
»Warum nicht? Gerade ihm erst recht würde ich es sagen!«
»Denken Sie, daß er es glaubt?«
»Ist das Ihre Sache?«
»Vielleicht doch? Aber ich bin nicht gekommen, um meine kostbare Zeit unnütz bei Ihnen zu verschwenden. Sie selbst wissen am Besten, in welcher Lage Sie sich befinden. Ich will Ihnen Ihre Unterschrift zurückgeben, so daß Sie wegen des Paschens nicht belangt werden. Und ich sichere Ihnen die denkbarst beste Beurtheilung des Anderen zu, wenn Sie mir dagegen Zweierlei versprechen.«
»So? Ah! Was denn?«
»Erstens sagen Sie mir, wo der kleine Robert von Helfenstein hingekommen ist.«
»Und was zweitens?« fragte der Schmied höhnisch.
»Sie bezeugen vor Gericht, daß der Baron Franz von Helfenstein damals den Hauptmann erschossen hat.«
»So! Weiter nichts?«
»Nein, weiter nichts.«
»Was? Damit wollen Sie sich wirklich zufrieden geben?«
»Mir genügt es vollständig.«
»Ei, ei! Was für ein genügsamer Mann sie sind!«
»Dieser Spott scheint Ihnen jetzt sehr billig, kann aber sehr leicht ganz ungeheuer im Preise steigen.«
»Meinetwegen, mag er theurer werden! Sie haben gesagt, was Sie wollen, und ich will Ihnen darauf meine Antwort geben.«
»Ich ersuche Sie sehr darum.«
»Schön! Zunächst habe ich mich wirklich vor dem sogenannten Fürsten des Elendes ein Wenig gefürchtet. Das ist nun vorbei. Heute sehe ich, daß er nicht nur ein ganz gewöhnliches Menschenkind, sondern sogar ein recht dummer Kerl ist. Wollen Sie sich das notiren?«
»Sehr gern, mein Bester!«
»Gut! Ihre Dummheit beweisen Sie dadurch, daß Sie mich für dumm halten. Sie wollen mich aus einer Gefahr retten, die es gar nicht für mich giebt, und dafür soll ich mich zu Missethaten bekennen, die ich gar nicht begangen habe und die mir auch kein Mensch nachzuweisen vermag. Das ist nicht nur dumm, sondern sogar hochdumm von Ihnen!«
»Das scheint allerdings so!«
»Schön, daß Sie es einsehen. Sie haben es sich selbst zuzuschreiben, wenn Ihr Renommée darunter leidet. Haben Sie vielleicht noch etwas Albernes vorzubringen?«
»Nein.«
»So könnten Sie eigentlich gehen, aber ich lasse Sie natürlich nicht eher fort, als bis ich gesehen habe, daß mein Sohn wirklich erwacht.«
Da stand Arndt von seinem Stuhle auf und antwortete:
»Ich bin gewöhnt, zu gehen, wann und wohin es mir beliebt.«
»Aber jetzt nur nicht, mein Bester! Sie bleiben hier.«
Er stellte sich vor die Thür und streckte dem Gegner die beiden Fäuste entgegen, stürzte aber im nächsten Augenblicke nach einer blitzesschnellen Armbewegung Arndt’s wie sein Sohn auf die Diele nieder.
Als er wieder zu sich kam, lag er auf der Bank, und sein Sohn stand vor ihm. Er mußte sich erst auf das, was geschehen war, besinnen.
»Ich hier?« fragte er. »Ah, da fällt mir ein – wo ist er hin, dieser Hallunke?«
»Ich weiß es nicht.«
»Was? Du weißt es nicht?«
»Nein. Ich weiß gar nicht, was mit mir geschehen ist. Ich erwachte aus einer Ohnmacht und lag hier auf der Bank.«
»Und ich?«
»Du lagst ohne Besinnung dort auf der Diele.«
»Und die Thür?«
»Sie war nicht mehr zugeriegelt. Der Kerl war fort.«
»Hole ihn der Teufel! Jetzt besinne ich mich. Ich wollte ihn nicht fortlassen, und da muß er mir einen fürchterlichen Jagdhieb versetzt haben, denn gleich breche ich nicht zusammen. Aber, eigenthümlich, ich fühle
Weitere Kostenlose Bücher