Der verlorne Sohn
Laterne hatte! Ich sah den Hund noch zeitig genug, um die Beine einzuziehen, sonst hätte ich sie brechen können. Ein wahrer Teufel, dieser Mensch!«
»Mich hat es beinahe abermals herabgeworfen. Aber warum mag er ausgestiegen sein?«
»Vielleicht, um eben diesen Zusammenstoß hervorzubringen, vielleicht auch eben nur, weil hier der Hund nicht mehr selber läuft. Man kommt dann mit den Beinen schneller und auch ohne solches Risico fort.«
»Steigen wir auch aus?«
»Ja, versuchen wir es. Wir müssen doch die Strecke einer halben Wegstunde zurückgelegt haben?«
»Das reicht noch nicht. Denken Sie die Schnelligkeit, mit welcher wir förmlich – – heiliger Himmel!«
»Herrgott! Wir sind verloren!«
In diesem Augenblicke hörte Keiner den Anderen, sondern Jeder wußte nur, was er selbst ausgerufen hatte. Es war ein Donnerschlag geschehen, als wenn die Erde zerbersten wolle. Der Boden schwankte unter ihren Füßen, und das ganze Unterirdische schien eine einzige, große Woge zu sein. Ueber und neben ihnen krachte die Verschalung, und massenweise stürzte das Erdreich und Gestein nieder. Beide lagen am Boden.
»Wir sind verschüttet!« schrie der Grenzer.
»Es scheint so. Auf mir liegt es Zentnerschwer. Wunderbar, daß die Laterne unversehrt ist! Können Sie sich noch bewegen?«
»Ein Wenig.«
»Auch ich kann mir Luft machen. Arbeiten Sie sich zu mir her. Vereinte Anstrengung wirkt doppelt.«
Sie fanden, daß sie doch nicht ganz verschüttet waren, wenn auch der Stollen an dieser Stelle nur noch seine halbe vorige Höhe hatte. Nach einer Weile knieten sie neben einander, und Arndt sagte: »Vielleicht giebt es noch Rettung!«
»Der Mensch soll sich nie verlorengeben!«
»Aber was thun wir?«
»Nicht unüberlegt handeln. Nachdenken ist hier mehr werth, als sinnlos dreinstürmen. Den Waldkönig werden wir nun wohl aufgeben müssen.«
»Mag er laufen, wenn es uns nur gelingt, wieder an das Tageslicht zu kommen!«
»Ich hoffe es! Wo ist der Schlag geschehen?«
»Da, vor uns.«
»Das denke ich auch. Von woher kam die Erschütterung, das Schwanken und Prasseln?«
»Eben auch von vorn.«
»Richtig! Daraus ist zu schließen, daß da vorn die Zerstörung noch viel größer ist, als hinter uns. Rettung finden wir also nur dann, wenn wir umkehren.«
»Das waren schlagende Wetter!«
»Möglich. Wir befinden uns jedenfalls in der Nähe der Segen-Gottes-Grube.«
»Gott, die armen Bergleute!«
»Jetzt haben wir uns selbst arm zu nennen. Kehren wir zurück. Kommen Sie!«
Sie krochen auf dem Gerölle, mit welchem die Sohle des Ganges jetzt ellenhoch bedeckt war, zurück. Es ging langsam, sehr langsam; aber es war doch möglich.
»Brrr!« meinte nach einer Pause der Officier, der sich hinter Arndt befand. »Riechen Sie Etwas?«
»Ja.«
»Wie Schwefel!«
»Eher wie Gas, wie – Herrgott, das Grubengas wird uns doch nicht etwa einholen!«
»Dann sind wir verloren!« stöhnte der Officier.
»Noch nicht, noch nicht; aber nur vorwärts! Und wenn wir uns das Fleisch von den Knieen und Händen losschinden sollten! Das Gas darf nicht schneller sein als wir!«
»Aber wie soll ich in dieser Finsterniß vorwärts kommen? Halten Sie doch die Laterne mehr nach hinten!«
»Ich habe sie doch ausgelöscht!«
»Ausgelöscht? Sind Sie bei Sinnen? Ja, wahrhaftig, da stoße ich auf sie! Sie haben sie weggeworfen?«
»Natürlich!«
»Warum aber denn?«
»Besinnen Sie sich doch! Grubengas und Licht. Wir wären ja rettungslos verloren!«
»Ah ja! Daran dachte ich nicht! Also, vorwärts!«
Der Geruch wurde immer stärker und penetranter. Die beiden Männer arbeiteten sich mit riesiger Anstrengung vorwärts. Der Grenzer ächzte und stöhnte laut. Endlich rief er: »Ich kann nicht mehr!«
»Kommen Sie! Kommen Sie um Gotteswillen!«
»Das scharfe Gestein! Und der Gestank!«
»Das Geröll nimmt hier vorn ab. Ah, Gott sei Dank! Ich fühle die Schiene.«
Er griff zurück, faßte seinen Gefährten und zog ihn mit aller Kraft nach sich.
»So! Hier können Sie sich auf die Füße stellen!«
»Es wird auch Zeit! Ah, welche Wonne! Hier athmet es sich auch bedeutend besser!«
»Nur nicht dabei aufhalten! Immer weiter!«
Er faßte ihn am Arme und riß ihn mit sich fort. Der Stollen wurde immer freier vom Geröll, und endlich hatten sie wieder den glatten, festen Boden unter sich. Nur das Athmen wurde ihnen schwerer und immer schwerer.
»Wir ersticken dennoch!« stöhnte der Officier.
»Nein. Rennen wir mit dem Gase um die
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