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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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für zuverlässig?«
    »Ganz und gar. Ich bin vollständig überzeugt, daß er mich nicht täuschen wird.«
    »Wir wollen ihn erst prüfen.«
    »Das habe ich bereits gethan.«
    »Dann ist es gut!«
    Sie erreichten die hintere Pforte der Mühle.
    »Da hinein?« fragten einige erstaunte, leise Stimmen.
    »Ja,« antwortete Seidelmann. »Wilhelmi ist seit kurzer Zeit unser Bundesgenosse.«
    »Ah, die Noth!« sagte Einer.
    Sie traten in den Hof. Arndt machte den Letzten und zog die Thür hinter sich wieder zu. Daß er auch den Schlüssel abzog, bemerkte nur Seidelmann.
    »Warum das?« fragte er leise. »Wir packen auf und gehen ja gleich wieder fort!«
    »Vorsicht! Während wir aufpacken, könnte doch Jemand kommen. Man darf nichts verabsäumen.«
    Aber Seidelmann hatte doch einen leichten Verdacht gefaßt. Er griff mit der Hand in die Tasche und wich Arndt nicht von der Seite. Zum Glücke bemerkte dieser es sehr wohl und beschloß, sich vorzusehen. Er brannte die Laterne an, öffnete die Thür und leuchtete in den Keller.
    »Da drin!« sagte er.
    Die Pascher traten hinein, um ein Jeder ein Packet aufzunehmen; Seidelmann aber blieb bei Arndt im Freien stehen.
    »Kommen Sie doch mit!« sagte dieser, indem er die Thür in die Hand nahm, um ihn vor sich eintreten zu lassen und dann die Thür zu verschließen.
    »Ich danke! Ich habe ja meine Leute. Ueberhaupt –«
    Er hielt inne und blickte sich um.
    Dem Grenzofficier hatte nämlich die Zeit bis zur Rückkehr Arndt’s zu lange gedauert. Er hatte an der Hinterthür Posto gefaßt und dann das Kommen der Pascher beobachtet. Jetzt sah er, daß diese sich im Keller befanden, und daß nur der Eine sich weigerte, auch einzutreten. Brauchte man mit diesem Einen so viel Federlesens zu machen? Nein! Er beschloß, hinzugehen und ihn festzunehmen; inzwischen konnte Arndt die Thür zuwerfen und verschließen. Er trat also hinter der Thür hervor und in den Hof hinaus. Das sollte leise geschehen; aber Seidelmann hatte Verdacht geschöpft; er hörte das Knirschen des Schnees unter den Sohlen des Officiers; er blickte hinter sich, sah die Uniform und erkannte sofort die Art und Weise dieser Situation.
    »Verrath!« brüllte er laut. »Hier hast Du den Lohn!«
    Bei diesen Worten riß er den Revolver, den er schon längst in der Tasche gefaßt hatte, hervor und drückte auf Arndt ab. Aber dieser war darauf vorbereitet; er schnellte sich zur Seite, so daß die Kugel an ihm vorüber flog, und schlug ihm die Waffe aus der Hand.
    Das Nöthigste war, sich der Mehrzahl zu versichern, da Seidelmann ja nicht flüchten zu können schien, zumal der Officier eben bei ihm stand und beide Hände nach ihm ausstreckte. Arndt also, mit der Laterne in der Linken, schlug mit der Rechten die Thür zu, drehte den Schlüssel um und zog ihn ab. In demselben Augenblicke aber schnellte auch bereits Seidelmann um die Ecke hinum und in den Garten hinaus, der Officier stürzte ihm nach und Arndt hinter ihnen her, noch immer, ohne sich in der Eile ihrer zu entledigen, die brennende Laterne in der Hand.
    Die Gartenmauer war nicht hoch, hatte zudem auch eine breite Lücke. Durch diese Letztere floh Seidelmann. Der Grenzofficier war kaum vier Schritte hinter ihm, sprang nach, blieb aber draußen augenblicklich stehen.
    »Himmelsakkerment!« fluchte er.
    Arndt hatte nun doch, mitten im Garten, die Laterne hingestellt und kam herbei.
    »Was ist’s?« fragte er.
    »Verschwunden!«
    »Wohin?«
    »Das weiß der Kukuk! Sehen Sie etwa einen Menschen?«
    Es war allerdings rundum kein Mensch zu sehen.
    »Er kann sich doch nicht unsichtbar gemacht haben!« meinte Arndt.
    »Und fort kann er auch nicht sein! Ich war ihm doch auf allen beiden Fersen!«
    »Sollte er mit Hilfe eines weißen Tuches – – halt! Horchen Sie einmal!«
    »Erdbeben!«
    »Nein. Dieses Rollen ist – ah, schauen Sie hier an der Mauer seitwärts das Loch!«
    »Wahrhaftig! Da hinein muß er sein!«
    In diesem Augenblicke kamen Andere durch den Garten gelaufen, der Obergensd’arm an ihrer Spitze, und neben ihm der Müller. Der Erstere fragte von Weitem bereits: »Man hat geschossen. Ist Einer verwundet oder entkommen?«
    Arndt hatte seine volle Seelenruhe behalten. Er erblickte den Müller und fragte:
    »Was ist das für ein Loch?«
    »Ein alter Stollen.«
    »In Gebrauch?«
    »Nein.«
    »Tief?«
    »Hier nicht; aber es getraut sich doch Niemand hinein wegen der Stickluft, und weil er leicht einstürzen kann.«
    »Was ist’s damit?« fragte der

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