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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Obergensd’arm.
    »Hm! Dieser Herr wollte nicht warten, bis ich mit den Paschern fertig wurde. Er ließ sich vor der Zeit sehen, und da ist mir gerade der König entkommen.«
    »Alle Teufel!«
    »Er ist in dieses Loch. Die Andern stecken dort im Keller. Hier ist der Schlüssel. Lassen Sie sie nicht zu lange stecken, sonst könnten sie auf den Gedanken kommen, die Packete zu vernichten oder wenigstens werthlos zu machen.«
    »Wo wollen denn Sie hin?«
    Arndt hatte nämlich, während er sprach, die Laterne geholt.
    »Da hinab,« antwortete er.
    »Sind Sie toll!«
    »Nein, nein!« rief auch der Müller. »Sie kommen um.«
    »Pah! Der Waldkönig ist auch hinab.«
    »Nur um zu entkommen. Er wagt das Leben!«
    »Nein. Er sprach vorhin von dem alten Stollen; er muß ihn kennen. Wohin führt der alte Gang?«
    »Niemand weiß es genau.«
    »Also hinab, ehe der Flüchtling verschwindet!«
    »Herrgott von Mannheim! Der Mensch hat wahrhaftig den Drehwurm!«
    Der das rief, nämlich der alte Förster, war soeben erst herbeigekommen. Er stieß diesen Ruf aus, weil Arndt wirklich in das Loch gesprungen war. Beim Scheine seiner Laterne konnte man sehen, daß es ungefähr zwölf Fuß tief war.
    »Was machen wir?« fragte der Obergensd’arm. »Ihm folgen?«
    »Ja, wenigstens ich,« antwortete der Grenzofficier. »Habe ich den Fehler begangen, so will ich wenigstens auch versuchen, ihn wieder gut zu machen.«
    Auch er sprang hinab. Einige Schritte vorwärts stand Arndt und leuchtete einen Gegenstand an. Beide bekümmerten sich nicht darum, ob ihnen noch Jemand folge.
    »Was ist das?« fragte der Officier.
    »Ein Hund, ein leerer Hund! Es haben zwei hier gestanden, und der Waldkönig hat den vorderen benutzt, so schnell wie möglich zu entfliehen.«
    »Ah, das also war das Rollen, das Erdbeben!«
    »Ja. Die Hunde laufen auf Schienen, und der Stollen geht, wie es scheint, abwärts; er hat Fall. Da läuft so ein Hund ganz von selbst. Der König hat also einen großen Vorsprung.«
    »Also nach! Was ist das hier im Hunde?«
    »Ein eichener Knüttel, jedenfalls zum Bremsen. Schnell, setzen wir uns! Wo der König hin kann, können wir auch hin. Und übrigens haben wir die Laterne!«
    Er riß die vordere Seite des kleinen Schienenwagens ab, um sich so zu setzen, daß seine Beine vorn vorstanden. Auf diese Weise konnte er dem Hunde, wenn er ja in ein gefährliches Rollen kam, eine verminderte Schnelligkeit geben. Dann nahm er den Knüttel in die Rechte und die Laterne in die Linke.
    Der Officier stieg hinter ihm auf, gar nicht beachtend, daß seine Uniform von dem Kohlenschmutz verdorben werden konnte. Die Jagd begeisterte ihn.
    »Na, fort jetzt!« sagte er. »Warum noch nicht?«
    »Der Stein muß erst weg, der vor den Rädern liegt.«
    Arndt stieß mit den Füßen den Stein fort, und nun begann der Hund, sich in Bewegung zu setzen, erst langsam, dann schneller, immer schneller, bis er fast die Geschwindigkeit eines galoppirenden Pferdes angenommen hatte.
    Es war eine unheimliche Fahrt, gerade wie in den Orkus hinab. Die beiden beherzten Männer hatten über sich die niedrige, mehr als halb verfaulte Deckenverschalung, rechts und links die nahen, engen, vor Nässe triefenden Wände und vor sich eine Finsterniß, welche das Licht der Laterne nur auf wenige Schritte zu durchdringen vermochte.
    »Wollen Sie nicht langsamer machen,« sagte doch nach einer Weile der Officier.
    »Warum?«
    »Wenn nun eine Querwand kommt, an die wir prallen?«
    »Stollen mit Hundeschienen haben keine Querwände.«
    »Oder eine Tiefe, in der wir zerschmettern?«
    »So kommen wir auf Den zu liegen, den wir suchen. Dann haben wir ihn ja!«
    Und so ging also die tolle, gespenstige Jagd in unverminderter Geschwindigkeit weiter und immer weiter. Es mußte ja einmal ein Punkt kommen, wo der Stollen keinen Fall mehr hatte.
    Fritz Seidelmann kannte den Stollen sehr genau. Er hatte ihn mit seinem Vater oft benutzt. Darum standen stets die zwei Hunde bereit. Er war eine bedeutende Strecke vorwärts gekommen, als er, hinter sich blickend, Licht bemerkte. Er wußte sofort, woran er war.
    »Donnerwetter! Sie verfolgen mich!« sagte er. »Ah, ich werde Euch den Weg verlegen!«
    Auch er hatte einen Knüttel, welcher wirklich, wie Arndt ganz richtig vermuthet hatte, zum Bremsen bestimmt war. Er stemmte denselben vor eines der vorderen Räder ein, und bald kam sein Hund zum Stehen. Er blickte wieder nach rückwärts.
    »Sie kommen wie auf einer Lokomotive angesaust,« sagte er.

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