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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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sind Sie hier vor dem Hause?«
    »Hm,« antwortete der schlaue Wirth, »ich habe wohl über eine halbe Stunde hier an dem Wagen herumhantiert.«
    »Kam während der Zeit Jemand vorüber?«
    »Nein.«
    »Wirklich nicht?«
    »Gewiß nicht. Ich müßte es gesehen haben. Sie fischen wohl nach irgend Jemandem?«
    »Freilich, freilich! Ich will es Ihnen sagen, damit Sie mir vorkommenden Falles einen Wink geben können. Kennen Sie die beiden Wölfe?«
    »Wölfe? Was für Wölfe? Giebt’s hier solches Raubzeug!«
    »Ich wollte sagen, die beiden Wolfs, die Schmiede aus Tannenstein da drüben.«
    »Ach, Sie meinen die Schmuggelbrüder?«
    »Ja.«
    »Nun, wenigstens den Alten habe ich einmal gesehen.«
    »Würden Sie ihn wieder erkennen?«
    »Ich denke es. Aber, sie sind doch gefangen!«
    »Sie sind vor einer Viertelstunde entsprungen.«
    »Heiliges Sapperment! Wie ist das möglich?«
    »Sie haben den Actuar erstochen und sind durch das Fenster auf die Gasse herabgesprungen.«
    Der Alte schlug, jetzt wirklich erschrocken, beide Hände zusammen, fuhr einige Schritte zurück und rief:»Herr, mein Heiland? Doch nicht?«
    »Ja. Die ganze Stadt ist auf den Beinen, und die Polizei rennt zunächst nach allen Seiten hinaus, um zu erfahren, nach welcher Richtung sie geflohen sind. Also, Sie haben wirklich Niemand gesehen?«
    »Hier nicht.«
    »Was soll das heißen, hier nicht?«
    »Nun – aber, ich habe alte Augen, auf die ich mich nicht mehr verlassen kann!«
    »Heraus damit! Sie wissen Etwas!«
    »Etwas Genaues freilich nicht. Das ist aber nicht vor einer Viertelstunde, sondern Etwas länger her.«
    »Nun, meinetwegen eine halbe Stunde. Man kann das nicht so genau sagen. Also was ist es?«
    »Meine Uhr war stehen geblieben –«
    »Zum Teufel mit Ihrer Uhr! Kommen Sie zur Sache!«
    »Ich bin ja bei der Sache! Also meine Uhr war stehen geblieben. Ich wollte sie richtig stellen und trat da ein Stück hinter das Haus hinüber, wo ich den Kirchthurm sehen kann und das Zifferblatt dran.«
    Dies erzählte er breit und langsam. Der ungeduldige Gensdarm stampfte mit dem Fuße und sagte:
    »Jetzt bringen Sie gar den Kirchthurm. Da hinauf sind die Wolfs sicher nicht gelaufen!«
    »Nein, da wären sie schön dumm! Aber als ich nun so nach der Uhr schaute, sah ich links auf der hohen Straße, die nach der Grenze geht, zwei Menschen rennen.«
    »Ach! Sapperment! Zwei?«
    »Ja.«
    »Fiel Ihnen irgend Etwas auf?«
    »Ja. Sie hatten nämlich nichts auf den Köpfen, obgleich wir keine Hundstage haben. Sie rannten so sehr, daß ich dachte, der Eine wolle den Anderen fangen.«
    »Konnten Sie die Kleidung erkennen?«
    »Die Farbe nicht, aber Jacken hatten sie an, wie sie hier bei uns getragen werden. Und – da fällt mir ein – –«
    »Was denn?«
    »Der Eine, der Hintere, der dem Vorderen nicht gut nachkommen konnte, hatte helles Haar. Ob grau, ob blond, das konnte ich nicht genau erkennen.«
    »Sie sind es, sie sind es! Also die hohe Straße hinaus?«
    »Ja, nach der Grenze zu.«
    »Da müssen wir sofort nach – zu Pferde – damit wir ihnen den Weg abschneiden. Danke sehr, Bergwirth! Adieu.«
    »Gern geschehen. Adieu.«
    Der Gensdarm rannte im Trabe nach der Stadt zurück. Der Bergwirth aber brummte zufrieden vor sich hin:»Das war pfiffig, Alter! Das hätte ich Dir beinahe gar nicht zugetraut. Nun mögen sie grad in entgegengesetzter Richtung nach diesen beiden Kerlen suchen!«
    Und sich die Pelzmütze nach hinten schiebend, fuhr er fort:
    »Den Actuar erstochen! Donnerwetter! Verwegene Menschen! Aber sonst hätten sie nicht entfliehen können! Ich muß ihnen forthelfen, es geht nicht anders!«
    Er zog einen Pelz an, schaffte einigen Proviant, Cigarren und Schnaps, auch zwei Mützen in den Wagen und war damit eben fertig, als sein Sohn die Pferde brachte.
    »Wohin geht es denn?« fragte dieser.
    »Nach Trippsdrille, wo die Pfütze über die Weide geht!«
    »Oho! Man wird doch wohl fragen dürfen!«
    »Halte das Maul, Junge! In solchen Sachen braucht nicht ein Jeder Alles zu wissen.«
    »Aber wenn die Mutter kommt und fragt! Was soll ich ihr da antworten?«
    »Sage ihr, daß ich geradewegs hinauf in den Himmel gefahren bin. Wenn sie heute Abend hinaufguckt, wird sie grad neben dem Mond meine Pelzmütze sehen.«
    Er stieg auf, nahm Zügel und Peitsche in die Hände und fuhr davon. Sein Sohn aber lachte vor sich hin:»Ein alter Schlauberger! Der hat es hinter den Ohren. Aus dem bringt Keiner Etwas heraus, was er nicht freiwillig sagen will. Aber

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