Der verlorne Sohn
Parterrefenster. Womit haben Sie den Schließer erschlagen?«
»Mit einem Hammer.«
»Haben Sie diesen noch?«
»Ich werde ihn doch nicht dort lassen!«
»Geben Sie ihn mir, so habe ich auf alle Fälle eine Waffe.«
»Hier ist er. Aber machen Sie nicht lange, denn auch mich darf Niemand sehen.«
Der Baron entfernte sich.
Bormann paßte auf. Nach einigen Augenblicken wurde an dem erleuchteten Fenster der Vorhang aufgezogen und wieder herabgelassen. Das war jedenfalls das Zeichen, daß der Diener das Signal seines Herrn erwartet und auch vernommen hatte.
Von jetzt an vergingen fast drei Viertelstunden, welche dem Wartenden wie Jahre vorkamen. Endlich hörte er nahe Schritte. Ein in einen Regenmantel gehüllter Mann trat auf ihn zu.
»Bormann?«
»Wer ist’s?«
»Ich bin’s. Ah, Sie kennen mich nicht! Gut so! Hier regnet es zu sehr. Schnell hinüber unter das Kirchenportal, damit wir uns dort verständigen.«
Das Portal war so tief, daß der Regen sie nicht erreichen konnte. Als sie dort angekommen waren, sagte der Akrobat:»Ich habe fast Angst ausgestanden. Sie blieben so lange fort, fast eine ganze Stunde.«
»Es ging nicht schneller.«
»Was haben Sie da unter dem Mantel?«
»Einen Reisekoffer mit Pässen und Geld.«
»Wozu den Koffer? Sie wollen doch nicht etwa auf die Eisenbahn?«
»O, doch.«
»Das wäre eine riesenhafte Unvorsichtigkeit!«
»Pah! Der beste Freund würde mich nicht erkennen. Uebrigens will ich gar nicht abreisen.«
»Weshalb also nach der Bahn?«
»Um per Droschke vom Bahnhofe zu kommen. Ich will im Hotel Union absteigen.«
»Donnerwetter! Sie sind des Teufels!«
»Ganz und gar nicht.«
»Was wollen Sie in dem Hotel?«
»Uns für einige Millionen Gulden Diamanten holen.«
»Uns? Ich also auch mit?«
»Ja.«
»Danke sehr!«
»Warum? Wollen Sie nicht reich werden?«
»Unter diesen Umständen nicht. Ich bin hier bekannt. Ich darf mich am Allerwenigsten in einem Hotel sehen lassen.«
»Das sollen Sie auch nicht.«
»Was denn?«
»Hören Sie mich an! Ich komme vom Bahnhofe, steige als Fremder dort im Hotel ab und lasse mir ein Zimmer des ersten Stockes geben. Sie beobachten das. Sobald ich allein bin, kommen Sie zu mir.«
»Auf welche Weise?«
»Hier im Koffer befindet sich ein Seil. Ich lasse es zum Fenster herab und Sie turnen sich daran empor.«
»Gut. Das geht. Was dann weiter?«
»Sind Sie in meinem Zimmer, so haben wir sehr leichtes Spiel. Ich habe den Schlüssel zu den Zimmern der Tänzerin.«
»Welcher Tänzerin?«
»Ach so! Sie wissen das noch nicht. Im Hotel Union wohnt eine amerikanische Tänzerin, welche Baargeld und Brillanten im Werthe von mehreren Millionen bei sich hat. Verstanden?«
»Alle Wetter! Also auf diese ist es abgesehen?«
»Ja.«
»Ist’s nicht zu gefährlich?«
»Gar nicht. Wir warten, bis die Corridorlichter ausgelöscht sind und dann schleichen wir uns ein.«
»Wenn sie Lärm macht!«
»So geben wir ihr Eins vor den Kopf. Das erinnert mich an Ihren Hammer. Ich habe ihn nicht gebraucht und also wieder mitgebracht. Hier ist er. Jetzt frage ich Sie, ob Sie mitmachen wollen?«
»Wissen Sie genau, daß diese Reichthümer wirklich da und auch zu haben sind?«
»Ganz gewiß.«
»Na, so wäre ich ein Esel, wenn ich darauf verzichtete! Vogelfrei bin ich einmal. Jetzt heißt es, Geld her, und zwar genug, um verschwinden und dann irgendwo ohne Sorge leben zu können. Das bieten Sie mir, und so wäre ich der größte Esel, wenn ich nicht zugriff. Aber was thun wir dann, wenn wir mit der Tänzerin fertig sind: Hoffentlich bleiben wir nicht in der Stadt!«
»Kann mir nicht einfallen. Ich weiß einen Ort, an welchem wir zunächst ungestört die Diamanten theilen können.«
»Theilen?« fiel der Akrobat schnell ein.
»Ja.«
»Also ein Jeder die Hälfte?«
»Natürlich!«
»Darauf wollten Sie wirklich eingehen?«
»Das versteht sich ganz von selbst. Gleiche Gefahr und gleicher Lohn; das ist nicht mehr als nur gerecht.«
»Aber ich sage Ihnen, daß mich das wundert.«
»Pah! Ich behalte genug. Also, haben wir getheilt, so geht Jeder seinen eigenen Weg.«
»Gut! Es ist nur gefährlich, wenn wir beisammen bleiben. Und übrigens bin ich kein Cumpan für Sie, Herr Baron von Helfenstein.«
»Pah! Es hat sich ausgebaront. Mir bleibt nichts Anderes übrig, als auch Ihnen: Ich muß verschwinden und mir irgend einen Winkel suchen, an welchem ich unerkannt und unbelästigt zu leben vermag. Donnerwetter!«
»Was giebt’s?«
»Da kommen
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