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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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faßte der Erstere den Letzteren am Arme und sagte: »Halt! Warten wir! Hier giebt es mehr Licht und er darf nicht merken, daß wir ihm gefolgt sind.«
    »Meinetwegen! Der Kerl kommt mir jetzt auch verdächtig vor.«
    »Wieso?«
    »Nun, er konnte doch von Haus aus eine Droschke nehmen. Kein vernünftiger Mensch läuft in diesem Wetter.«
    »Vielleicht ist er arm!«
    »Ein armer Teufel hat keinen solchen Regenmantel. Uebrigens geht jetzt irgend ein Zug ab?«
    »Nein.«
    »Bis zum Frühzuge ist’s noch einige Stunden. Was will der Mensch jetzt schon auf dem Bahnhofe?«
    »Er will vielleicht das Geld für das Gasthofslogis ersparen und also den Abgang des Zuges hier erwarten.«

    »Schön! Aber warum geht er nicht hinein?«
    »Das wundert mich auch. Da rechts ist er nach dem Vorbau hinauf; dort links steht er jetzt. Ah! Sapperment! Jetzt geht er zu den Droschken hin!«
    »Wahrhaftig!«
    »Wenn er eine Droschke nimmt, hat er eine Teufelei vor.«
    »Das ist sicher.«
    »Man läuft nicht in dieser Sintflut nach dem Bahnhofe, um mit einer Droschke wieder zurückzufahren.«
    »Das ist allerdings sehr verdächtig! Da steigt er ein!«
    »Wirklich! Wir ihm nach.«
    Die Beiden eilten nach der nächsten Droschke und Holm befahl dem Kutscher derselben:
    »Fahren Sie diesem Herrn nach. Merken Sie sich das Haus genau, wo er aussteigt und eintritt. Sie fahren aber unauffällig weiter und halten an der nächsten Ecke!«
    Sie stiegen ein und der Kutscher gehorchte.
    »Warum gaben Sie die Weisung, weiter zu fahren?« fragte Hauck. »Wir konnten ja auch dort halten. Ich vermuthe, daß er an einem Gasthofe absteigt.«
    »Ich auch. Aber ich bin überzeugt daß es sich um einen Schurkenstreich handelt –«
    »Ich auch. Weiter!«
    »Dieser Mann will den Schein erwecken, daß er fremd sei und vom Bahnhofe komme. Er hatte den Streich mit dem Anderen verabredet, und ich setze meinen Kopf zu Pfande, daß dieser Andere sich bereits in dem Gasthofe befindet oder, falls er sich da nicht sehen lassen kann, in der Nähe desselben wartet.«
    »Sie sind der reine Polizist; aber Sie können Recht haben.«
    Die Fenster der Droschke waren angelaufen; der Regen wurde so dagegen gepeitscht, daß sie nicht einmal bemerken konnten, durch welche Straßen sie kamen.
    Da endlich hielt die Droschke. Sie stiegen aus, und Holm erkundigte sich beim Kutscher:
    »Nun, wo hat er gehalten?«
    »Hotel Union.«
    »Ist er hineingegangen?«
    »Ja.«
    »Ah! Sapperment! Fahren Sie noch eine Straße weiter und erwarten Sie uns dort! Hier ist Geld!«
    Der Mann steckte das große Silberstück zufrieden ein und fuhr weiter.
    »Sie thaten doch ganz erschrocken!« sagte Hauck.
    »Das bin ich auch.«
    »Warum?«
    »Im Hotel Union wohnt Miß Ellen Starton, und ich weiß zufälliger Weise, daß man es auf ihre Brillanten abgesehen hat.«
    »Was Sie sagen! Die Spitzbuben werden sich wohl hüten, es Ihnen mitzutheilen!«
    »Dennoch weiß ich es. Ich war heute im Palais des Fürsten von Befour; dort wurde davon gesprochen.«
    »So müssen wir in’s Hotel, um die Dame, wenn es nöthig sein sollte, zu warnen.«
    »Nicht so hitzig! Wollen erst sehen, ob es nöthig ist. Es genügt nicht, die That zu vereiteln, wenn sie wirklich geplant werden sollte, sondern wir müssen uns zugleich Mühe geben, die Thäter in unsere Hände zu bekommen.«
    »Das wäre ein Abenteuer! Wie aber es anfangen?«
    »Wollen zunächst sehen, ob der Riese da steht. Wir kehren also um. Sie gehen auf der rechten und ich auf der linken Seite der Straße. Behalten Sie alle Thüren scharf im Auge! Thun Sie aber ja nicht so, als ob Sie eine Absicht dabei hätten.«
    Sie trennten sich. Holm ging auf der Seite, auf welcher das Hotel lag. Die Thür desselben war trotz der späten Stunde noch offen. Er erreichte das Ende der Straße, ohne etwas Verdächtiges bemerkt zu haben. Von der anderen Seite kam jetzt Hauck herüber.
    »Nun?« fragte Holm.
    »Er steht dort.«
    »Ah! Wo?«
    »Unter der Thür, schief gegenüber. Er hatte sich ganz hinangedrückt, und ich that, als ob ich ihn gar nicht bemerke. Der Kerl hat wirklich Etwas vor!«
    »War es der lange Mensch?«
    »Ja. Ich bemerkte im Vorübergehen, daß er um einen Kopf länger ist als ich.«
    »Gut! Er darf uns nicht wiedersehen, wenigstens Sie nicht. Machen wir also einen Umweg nach der Droschke zurück!«
    Und als sie bei derselben anlangten, fuhr er, zu seinem Begleiter gewendet, fort:
    »Sie setzen sich jetzt mit hinein. Ich steige am Hotel ab; Sie aber fahren

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