Der verlorne Sohn
Tänzerin gesteckt, um sie zu erwarten.«
»Sie sprechen ›sie‹. War der Hauptmann nicht allein?«
»Nein. Er hatte einen gewissen Bormann mit, einen Bruder des sogenannten Riesen Bormann. Diesen hat man denn nun auch festgenommen, während hingegen der Hauptmann wieder entkommen ist.«
»Fürchterlich, fürchterlich! Wie hat denn der Hauptmann seine Flucht aus dem Gefängnisse bewerkstelligt?«
»Eben dieser Bormann hat ihn befreit. Nun wimmelt es an allen Ecken und Enden von Polizisten. Das ist mir höchst unangenehm. Aber der Gang war nicht aufzuschieben. Ich habe nämlich meinen ganzen Vorrath verthan.«
»Also verkauft?«
»Ja. Gleich morgen früh habe ich Gelegenheit, eine neue Summe an den Mann zu bringen; deshalb komme ich noch während der Nacht zu Ihnen, und deshalb schrieb ich Ihnen, bis um die jetzige Minute wach zu bleiben. Haben Sie noch zwanzigtausend Gulden?«
»Ja, allerdings nur gegen baar.«
»Natürlich. Diese Fünfzigguldenscheine sind so famos nachgemacht, daß kein Mensch die Fälschung entdecken kann. Ich habe mich überzeugt, daß meine erstmalige Unruhe ganz überflüssig war.«
»Ich sagte es Ihnen ja.«
»Halten Sie nur auf Vorrath.«
»Für sechzigtausend ist noch da; dann werden wir wieder zu fabriciren beginnen.«
»Warum machen Sie nicht Noten zu hundert Gulden? Das würde doppelt lohnen als jetzt.«
»Es fehlen uns die Platten, doch steht zu erwarten, daß wir baldigst im Besitze derselben sein werden.«
»Ich hoffe, daß ich auch dann Ihr Agent bleibe!«
»Natürlich! Also für zwanzigtausend Gulden brauchen Sie jetzt noch?«
»Ja. Soll ich mit heraufgehen?«
»Um Gottes willen, nein! Meine Frau!«
»Schön! So warte ich hier.«
»Ich werde Ihnen das Licht lassen und gleich wieder bei Ihnen sein, Herr Lieutenant!«
Er stieg die Treppe hinan; der Lieutenant lehnte sich wartend an die Wand.
Der Baron hatte seinen Augen und Ohren nicht trauen wollen. Er hatte den Offizier sofort an der Stimme erkannt. Jetzt konnte er ihm durch die erwähnte Spalte grad in das Gesicht blicken. Also dieser Wunderlich machte falsche Noten und der Lieutenant von Scharfenberg vertrieb dieselben. Es kam dem im Verstecke Sitzenden ein Gedanke, den er auszuführen beschloß. Er wartete, bis Wunderlich zurückkehrte, dann erhob er sich und machte sich bereit.
»Hier ist das Packet, Herr Lieutenant. Zwanzigtausend gute Gulden.«
»Und hier sind gute dafür.«
Er gab ihm ein Packet.
»Sie erlauben natürlich, daß ich sie prüfe?«
»Gewiß. Ächte prüft man, falsche aber nicht.«
Wunderlich kauerte sich zu der Lampe auf die Treppenstufen nieder und begann, die Scheine durchzusehen. Der Offizier hatte die seinigen eingesteckt und stand wartend dabei. Endlich sagte Wunderlich: »Es stimmt. Gold wäre mir aber lieber.«
»Das nimmt zu viel Platz weg. Seien Sie zufrieden. Ich habe in dieser kurzen Zeit fast für achtzigtausend Gulden an den Mann gebracht.«
»Das erkenne ich an. Aber bedenken Sie auch, welchen Profit Sie dabei haben.«
Da erklang es hinter ihnen:
»Wie hoch beziffert sich dieser Profit?«
Ein furchtbarer Schreck ließ ihre Glieder zusammenzucken. Sie fuhren herum und sahen einen unbekannten Menschen vor sich stehen, dessen Gesicht einen geradezu schauderhaften Anblick bot.
Der Regen hatte trotz der das Gesicht beschirmenden Caputze Haar, Bart und Schminke vollständig aufgeweicht. Es sah aus, als sei es mit Tinte und Milch beschmiert und dann mit Haaren eingerieben worden. Der Lieutenant faßte sich zuerst.
»Mensch, Sie spioniren hier?« sagte er.
»Ja, mein Herr von Scharfenberg.«
»Wohnen Sie in diesem Hause?«
»Nein.«
»Wie kommen Sie da herein?«
»Durch die Hinterthür.«
»Ich habe es ja gar nicht bemerkt.«
»Das war auch unmöglich, denn ich befand mich bereits hier, als Sie kamen.«
»Das ist nicht möglich. Wir hätten Sie sehen müssen.«
»Wenn Sie in diesen Verschlag geblickt hätten, ja; aber das haben Sie leider unterlassen.«
»Verdammt! So haben Sie unser Gespräch gehört?«
»Jedes Wort!«
»Aber jedenfalls falsch verstanden.«
»Schwerlich!«
»Nun, um was hat es sich gehandelt?«
»Um falsches Papiergeld, welches von Herrn Wunderlich gemacht, von Ihnen aber vertrieben wird.«
»Also doch! Sie haben uns vollständig mißverstanden. Es handelt sich vielmehr um die – –«
»O bitte, Herr Lieutenant, geben Sie sich keine Mühe! Ich bin ein alter Knabe, der sich nichts vormachen läßt!«
Jetzt nun hatte auch Wunderlich
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