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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Du hast hier wieder für mich gestritten gegen die Gemeinheit niedriger Seelen; Du hast mir heute das Leben gerettet. Du sollst auch weiter, fort und fort mein Schutz und mein Schirm sein, für’s ganze Leben. Unter Deinem Schatten will ich wohnen, und in Deiner Sonne will ich blühen. Nimm mich auf bei Dir und laß’ mich nicht wieder von Dir hinweg, hinaus in die fremde Welt und in das kalte, verständnißlose Leben!«
    »Ellen, so, so sagst Du! Das bittest Du, während ich vor Dir niederknieen möchte, um Dich um ein einziges Lächeln anzuflehen! Nicht Du sollst unter meinem Schatten wohnen, sondern ich, ich will Dein Diener und Dein Sclave sein! Ich will Deinen Wünschen lauschen und Dir unterthan sein, so lange ich athme und lebe. O, Ellen, wie lieb, wie un-, un-, unendlich lieb habe ich Dich!«
    Er breitete die Arme aus. Sie sank an sein Herz und legte den herrlichen Kopf an seine Schulter.
    »Endlich, endlich!« flüsterte sie. »Nun habe ich Dich! Nun bin ich das, was zu sein ich so heiß begehrte: ein unsagbar glückliches Menschenkind!« – –Der Fürst war mit seinen beiden Dienern nach dem Helfenstein’schen Palais gegangen. Dort war noch ein Fenster erleuchtet, ein einziges.
    »Weißt Du, wessen Zimmer das ist?« fragte er Anton.
    »Ja. Dort wohnt der alte Kammerdiener, der ihn zwar nicht mehr frisirt und ihm nicht mehr servirt, weil er eben zu alt ist, aber ihm doch eine unendliche Ergebenheit widmet. Er ist ein alter Sünder, der wohl Manches auf dem Gewissen hat.«
    »Hm! Sollte dieser es sein?«
    »An den er sich heute gewendet hat?«
    »Man könnte es vermuthen.«
    »Wie aber wäre er zu ihm gekommen?«
    »Durch den Eingang nicht. Es steht zu errathen, daß er ihm ein Zeichen an das Fenster gegeben hat.«
    »Vielleicht hinan geworfen?«
    »Wahrscheinlich.«
    »Wollen es einmal versuchen.«
    Er ging näher an das Palais heran und warf ein Steinchen nach dem Fenster. Es traf. Gleich darauf wurde der Vorhang auf-und niedergezogen.
    »Es hat gewirkt,« sagte Anton.
    »Wie aber wird es weiter wirken?«
    »Jedenfalls kommt er herab.«
    »Aber an die Thür nicht; das könnte der Polizist bemerken. Ich denke vielmehr, daß er eines der Parterrefenster öffnen wird, um mit mir zu sprechen. Welches aber kann dies sein? Stehe ich nicht dort, so merkt er, daß ich ihn täuschen will.«
    »Wahrscheinlich ist es eins der beiden Giebelfenster, welche sich im Seitengang des Flures befinden. Dorthin kommt selten Jemand.«
    »Ich will es versuchen.«
    Er trat um die Ecke und nahm zwischen den beiden erwähnten Fenstern Stellung. Nach kurzer Zeit hörte er, daß geöffnet wurde. Er trat dahin, wo sich der Kopf des Alten sehen ließ.
    »Gnädiger Herr?« fragte dieser Letztere halblaut.
    »Er ist es nicht,« antwortete der Fürst.
    »Donner! Wer denn!«
    »Ein Freund. Ich muß mit dem Herrn sprechen.«
    »Geben Sie das Wort!«
    Dem Fürst fiel ein, was die Passanten gesagt hatten, als sie beim hinteren Pförtchen des Palastes an ihm vorüber gegangen waren.
    »Auch Einer,« antwortete er.
    »Was wollen Sie? Sie sind legitimirt.«
    »Ist er bereits fort?«
    »Ja.«
    »O weh! Ich muß den Capot und die Mütze haben!«
    »Ach so! Wozu?«
    »Damit der arme Teufel, der Schließer nicht bestraft werden kann.«
    »Der kann nicht bestraft werden.«
    »Warum nicht?«
    »Er ist ja todt.«
    »Ach, ich meine doch den Anderen.«
    »So, so! Leider kann ich Ihnen die Sachen nicht geben. Ich habe sie zwar in meinem Bette, aber der Polizist sitzt im Corridor und beobachtet Alles. Sie müssen wieder kommen.«
    »Wann?«
    »Heute nicht mehr; aber morgen Abend, vielleicht zehn Uhr, wenn es bis dahin nicht zu spät ist.«
    »Vielleicht läßt es sich bis dahin verheimlichen. Aber, wo kann ich den Herrn finden?«
    »Nirgends.«
    »Donnerwetter! Ich habe ihm wichtige Nachrichten zu bringen.«
    »Von wem?«
    »Ueber die Baronin.«
    »Das muß jetzt Zeit haben. Ich hoffe, seine Adresse recht bald zu bekommen. Sprechen Sie dann wieder vor.«
    Der Kopf zog sich zurück und das Fenster wurde zugemacht. Der Fürst begab sich wieder zu seinen Begleitern, welche ihn neugierig erwarteten.
    »Ich habe nicht viel erreicht, aber doch etwas,« sagte er. »Anton, gehe Du zum Staatsanwalt zurück und melde ihm, daß die Mütze und der Capot des ermordeten Schließers sich im Bette des Dieners befinden.«
    »Ah, schön! Das wird ein Glied in der Beweiskette.«
    »Allerdings! Wir Beiden gehen nach Hause. Sobald eine Spur des Barons gefunden ist, reisen

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