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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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leicht, hell und angenehm zu machen. Giebt es nun einmal etwas Unangenehmes, so getraut Ihr Euch nicht heraus, Ihr bekommt Angst, Ihr zittert vor Euren eigenen Kindern.«
    Er hatte das natürlich im Scherze gesprochen. Auch die Eltern lachten. Der Vater drohte ihm erst nur mit dem Finger, machte dann gar eine Faust und sagte: »Bursche, der Du bist! Wart, wenn wir Euch bisher verzogen haben, so wollen wir umkehren, weil es noch Zeit zu sein scheint. Wir werden Rabeneltern werden.«
    »Ah! Fürchte mich nicht! Aber, um nun auch ernst zu sein: Du hast wirklich etwas auf dem Herzen. Nicht?«
    »Na ja, ich will es gestehen.«
    »Für mich?«
    »Für Dich persönlich.«
    »Etwas Unangenehmes?«
    »Eigentlich ja, aber es ist sehr leicht angenehm zu machen.«
    »Werden sehen! Bitte, schieß los!«
    »Hm! Ja! Ich sehe, daß Du Recht hast: Ich habe wirklich das rechte Herze nicht.«
    Auch die Freifrau war ernst geworden. Sie nickte ihm aufmunternd zu und bat:
    »Fasse Dir Muth! Heraus muß es doch. Er mag dann entscheiden. Was er wählt, soll gut sein.«
    »Entscheiden?« fragte der Lieutenant. »Wollt Ihr mich vielleicht als einen Hercules auf den Scheideweg stellen?«
    »Ja, das ist es,« sagte der alte Freiherr. »Nämlich Du weißt doch, daß Curt, Dein Bruder, jetzt im Begriffe steht, das Examen zu machen?«
    »Natürlich weiß ich das.«
    »Weißt Du auch, welch ein Examen?«
    »Freilich. Er will zur Universität.«
    »Das haben auch wir geglaubt. Aber er hat, ohne uns zu fragen, auf etwas ganz anderes hingearbeitet.«
    »Worauf denn?«
    »Er will zur Marine.«
    Mit diesem Worte war das Geheimniß ausgesprochen. Ging der jüngere Sohn zur Marine, so mußte der ältere den Dienst quittiren und auf alle Carrière verzichten, um die Bewirthschaftung der Güter zu übernehmen.
    Vater und Mutter ließen ihre Blicke forschend auf dem Sohne ruhen, um in seinem Gesichte den Eindruck zu lesen, den die Worte des Ersteren hervorgebracht hatten. Edmund aber erhob sich langsam von seinem Sitze, schritt einigemale in dem Zimmer auf und ab, trat dann an das Fenster und blickte lange Zeit schweigsam hinaus.
    Als er sich dann endlich wieder in das Zimmer zurückwendete, sah seine Mutter, daß er eine Thräne in dem Auge stehen hatte.
    »Edmund!« rief sie, aufspringend und den Arm um ihn legend. »Du sollst nicht weinen. Es fällt Dir zu schwer.«
    »Ja. Gut,« sagte sein Vater. »Es mag also Alles beim Alten bleiben!«
    Der Lieutenant führte die Mutter wieder zu ihrem Platz zurück, setzte sich auf den seinen und sagte:
    »Ich habe mich entschieden, und dabei bleibt es!«
    Es lag eine feste, unumstößliche Entschlossenheit in seinem männlich schönen Angesicht.
    »Entschieden? So schnell?« fragte seine Mutter.
    »Ja. Ihr kennt mich ja. Es ist übrigens bei uns nicht wie in so vielen anderen Häusern. Wir lieben uns; es hat noch niemals eine Wolke zwischen uns gegeben. Wir brauchen uns keine langen Reden zu halten, sondern was das Eine wünscht und sagen möchte, das ahnt und weiß das Andere ohne viele Einladungen und Begründungen. Curt wird, das ist sicher, nie ein Landwirth werden.«
    Diese letzten Worte sagten dem Vater, was der Sohn für eine Entscheidung getroffen habe. Dennoch aber fragte er in unbestimmter Weise: »Meinst Du?«
    »Ja, und Ihr meint es auch.«
    »Er ist allerdings viel zu unruhig.«
    »Gewiß. Ihr wißt zwar, daß ich für den Officier schwärmte, von Avancement träumte. Ich wollte General werden und was Alles. Ich kann auch sagen, daß ich die Zufriedenheit und die Achtung meiner Vorgesetzten besitze, aber – aber –«
    Er zögerte, darum meinte sein Vater:
    »Was aber?«
    »Denkt an den Kranich, den Hagenau! Hohler Kopf, Geld und Adelsstolz und mehr als fragliche Conduite. Denkt an den Scharfenberg! Ein Falschmünzer! So kenne ich noch Mehrere, noch Viele. Es hat Stunden gegeben, in denen ich mich vor den Kameraden ekelte. Curt mag also zur Marine gehen.«
    »Wie? Du willst also resigniren?«
    »Ja.«
    »Wirklich?«
    »Gewiß. Mein jetziger Urlaub mag der Uebergang zu dem Abschiede sein, um den ich einkommen werde.«
    »Lieber, lieber Edmund!« sagte seine Mutter, indem sie ihm die Hand entgegenstreckte. »Du bringst uns ein großes Opfer, aber Du nimmst uns auch eine große Sorge vom Herzen, das glaube mir.«
    Auch der Freiherr drückte ihm gerührt die Hand und sagte:
    »Bedenke, daß ich nicht mehr der Jüngste bin! Ehe Curt das Alter hätte, für mich einzutreten, würde ich mir die Knochen hohl

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