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Der Vermesser (German Edition)

Der Vermesser (German Edition)

Titel: Der Vermesser (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clare Clark
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angeblich mit großem Erfolg praktizierten. Einhundertvierzig diesbezügliche Vorschläge wurden eingereicht und erwogen, und angesichts von Bazalgettes Einwänden gegen dieses Vorhaben wurden Stimmen laut, die vehement seine Absetzung forderten. Bazalgette jedoch bewahrte Ruhe und Besonnenheit. In der Greek Street wachte er tagtäglich darüber, dass die Messungen von Tiefe und Durchmesser, Druck- und Kräfteverhältnissen, Gezeiten und Gefälle gewissenhaft vorgenommen wurden, bis auf dem Papier seiner Zeichner die Vision einer gewaltigen neuen Stadt unterhalb der alten Gestalt annahm: einer großartigen unterirdischen Metropole, umgrenzt von ehernen Wällen mit Hunderten von kilometerlangen Gassen und Straßen aus Rohrleitungen, die wiederum Ströme aus noch gewaltigeren Röhren kreuzten und zu fünf mächtigen Hauptadern – drei nördlich und zwei südlich der Themse – zusammenliefen, deren pfeilergestützte Deckengewölbe hoch waren wie Kathedralen. Die vier Pumptürme bildeten die Kirchtürme dieser Stadt. Sie ragten sogar noch über das Straßenniveau hinaus; am gewaltigsten die Pumpstation in Abbey Mills, ein Königspalast im Stil der venezianischen Gotik. Es war eine prächtige, glanzvolle Stadt, die mit dem primitiven Labyrinth, das William kannte, so wenig zu tun hatte wie die weiß verputzten Hausfassaden an den neuen Plätzen in Belgravia mit den schmutzigen Schweinekoben und Keramikmanufakturen in Notting Dale. Nur dass diese Stadt allen zugute kam. Es würde Trinkbrunnen geben, aus denen kostenlos frisches Wasser sprudelte. Niemand würde mehr die stinkende Brühe trinken müssen, die er mit dem Eimer aus einem Gemeindegraben geschöpft hatte. Es würde keine offenen Abwasserkanäle mehr geben, die die Behausungen der Armen überfluteten und das Erdreich und die Luft vergifteten. Keine gärenden Senkgruben mehr, keine offenen Gullys, in denen die Cholera und ihre heimtückischen Verwandten auf Opfer lauerten. Sie würden fortgeschwemmt werden wie die menschlichen Exkremente, die mit der unaufhaltsamen Gezeitenströmung ins Meer flossen. Die Seuchen würden verschwinden, wie sie in Skutari verschwunden waren. Es wäre wie ein Wunder, wenn William noch an Wunder geglaubt hätte. In gewisser Weise tat er es aber doch noch. Sein Glaube an einen barmherzigen und liebenden Gott war zwar erkaltet wie Asche in der verlöschenden Glut, aber in seinem Innern brannte noch ein schwaches Flämmchen, das sein Blut erwärmte und vom irdischsten aller Erlöser am Leben erhalten wurde: der Sanitärtechnik.
    Wenn in Bazalgettes Vision die Zukunft lag, an die William glaubte, so waren die verrottenden Abwasserkanäle, an deren Erneuerung sie arbeiteten, sein Refugium in der Gegenwart. Nach kaum zwanzig Monaten Abwesenheit von London schien es ihm, als hätte sich die Bevölkerungszahl der Stadt seither verdoppelt, ja verdreifacht. Laut den Statistiken, die der Behörde vorlagen, hatte London rund zweieinhalb Millionen Einwohner, vielleicht sogar mehr. Für William war diese Zahl genauso unbegreiflich, als hätte man ihm die Unendlichkeit des Meeres in Gallonen beziffert. Aber er spürte, dass sie mit der Wirklichkeit übereinstimmte, und war überwältigt. Der Lärm und Gestank des Verkehrs, wenn er den Fluss überquerte, die schweren, mit Ballen oder Fässern beladenen Fuhrwerke, die sich neben offenen Einspännern, vierrädrigen Karossen, Leichenwagen, Mietdroschken, Abdeckerkarren, Barclay’s Rollwagen, Schweine- und Schafherden und Fußgängern drängten, verwirrten ihn und wühlten ihn innerlich auf. Trotz des Opiums, das Polly ihm zum Schlafen verabreichte, sickerten das infernalische Chaos und Getöse der Stadt in das Grauen seiner Träume. Wäre es nicht um der Abwasserkanäle willen gewesen, hätte er seine Arbeit, den langen Fußmarsch nach Soho und wieder zurück durch das Gedränge und Geschrei der Straßen, die harschen Anweisungen der leitenden Ingenieure und die gehetzte Ungeduld der Schreiber nicht ertragen. Die anderen Vermesser beklagten sich bitter über den Gestank im Untergrund und beschränkten sich bei ihren hastigen Ausflügen in das Kanalnetz auf die allernotwendigsten Messungen. Die zu ihrer Führung abgestellten Ausspüler, die ansonsten im Auftrag der Gemeinde die Kanäle reinigten, brachten den in ihr Territorium eindringenden Herrschaften entweder nur Verachtung entgegen oder ließen sich von ihnen einschüchtern, jedenfalls waren sie heilfroh, wenn sie wieder verschwanden. Bei

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