Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Verräter von Westminster

Der Verräter von Westminster

Titel: Der Verräter von Westminster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
Vom Netzwerk:
freue mich, dass du das so deutlich siehst.«
    Mit einem Mal empfand er ein sonderbares Gefühl, eine Art Frösteln, das wie eine Warnung war.
    Sie neigte den Kopf leicht zur Seite und fuhr fort: »Dann wirst du auch verstehen, warum Charlotte mit ihm nach Irland gereist ist, um ihn dort auf jede erdenkliche Weise zu unterstützen. Es wird für ihn, jetzt so auf sich gestellt, schwer genug sein. Unter Umständen ist es ihr möglich, sich an Orten umzusehen oder umzuhören, die er keinesfalls aufsuchen kann.«
    Einen Augenblick lang verstand er nicht, was sie gesagt hatte, als habe sie in einer fremden Sprache gesprochen. Die Schlüsselwörter
waren deutlich genug – Charlotte, Narraway und Irland –, aber das Ganze ergab keinen Sinn.
    »Charlotte ist in Irland?«, fragte er fassungslos. »Das ist doch nicht möglich! Was könnte sie dort ausrichten? Sie kennt das Land nicht und weiß mit Sicherheit weder etwas über Narraways Vergangenheit noch über seine früheren Fälle oder andere Angehörige des Sicherheitsdienstes.« Fast hätte er ihr gesagt, sie müsse etwas missverstanden haben. Das wäre zwar unhöflich von ihm gewesen, aber es gab keine andere Erklärung.
    »Thomas«, sagte sie mit bedeutungsvoller Stimme. »Die Lage ist außerordentlich ernst. Victor ist in einer prekären Situation, denn man hat ihm jeden Zugang zu seinem Büro verwehrt, womit ihm keins der Mittel des Sicherheitsdienstes mehr zur Verfügung steht. Wir wissen, dass zumindest eine Person, die dort eine hohe Position bekleidet, ein Betrüger und Verräter sein muss, aber nicht, wer das ist. Charles Austwick hat Narraways Posten übernommen …«
    »Austwick?«
    »Ja. Siehst du jetzt, wie besorgniserregend das Ganze ist? Glaubst du wirklich, Victor Narraway könnte den Verräter ohne Hilfe aufspüren? Ganz offensichtlich hat keiner von euch etwas von Gowers Verrat gewusst, nicht einmal Victor. Wer weiß, wie viele dich noch hintergehen würden? Charlotte ist sich zumindest teilweise der Gefahr bewusst, auch der, die dir persönlich droht. Begleitet hat sie Victor teils aus Loyalität zu ihm, in erster Linie aber, um ihm zu helfen, sein Amt zu bewahren, weil ihr nur allzu klar ist, dass auch deine Anstellung davon abhängt. Es gibt zudem einen weiteren Punkt, über den nachzudenken du möglicherweise noch keine Zeit hattest. Nachdem es den Leuten gelungen ist, den Eindruck zu erwecken, Victor habe ein Eigentumsdelikt begangen, dürfte es ihnen kaum schwerfallen, dich als mitschuldig hinzustellen.«
    Der bloße Gedanke entsetzte Pitt. Er war erschöpft und litt noch unter dem Schock der Enttäuschung und dem Entsetzen über die von ihm am Vortag verübte Gewalttat. Er war so müde, dass er in dem bequemen Sessel, in dem er saß, hätte einschlafen können. Zugleich aber verkrampften sich sein Rücken, seine Schultern und sein Nacken vor Angst, ihn schwindelte geradezu. Was ihm Lady Vespasia da eröffnet hatte, machte alles nur noch schlimmer. Er bemühte sich, die Dinge in die richtige Perspektive zu rücken.
    »Ist Charlotte dort, wo sie sich befindet, wenigstens in Sicherheit? « Ihm ging durch den Kopf, dass »Sicherheit« angesichts dessen, dass sie sich mit Narraway in Irland aufhielt, wohl das falsche Wort war.
    »Thomas, Victor ist bei ihr. Er wird nicht zulassen, dass ihr etwas zustößt, sofern er es verhindern kann«, versuchte sie ihn zu beruhigen.
    Obwohl Pitt wusste, dass Narraway eine Schwäche für Charlotte hatte, begehrte er auf. »Wenn ihm etwas an ihr läge, hätte er nicht …«, setzte er an.
    »Du meinst: zugelassen, dass sie mit ihm dorthin reist?«, beendete sie den Satz für ihn. »Thomas, ihr Motiv war nicht nur Freundestreue, sondern vor allem der Wunsch, deine berufliche Zukunft und damit die finanzielle Sicherheit eurer Familie zu gewährleisten. Was hätte er deiner Ansicht nach sagen oder tun können, um sie daran zu hindern?«
    »Er hätte ihr ja nicht zu sagen brauchen, dass er dahin wollte!«, stieß er hervor.
    »Ist das dein Ernst?« Sie hob ihre silbergrauen Brauen. »Hätte er sie auch im Unklaren darüber lassen sollen, warum du nicht nach Hause gekommen bist, nachdem du deinen Informanten durch die Straßen Londons verfolgt hattest? An jenem Abend und während der ganzen darauffolgenden Woche? Natürlich hätte sie, wenn sie sich lange genug geängstigt hätte,
irgendwann in Lisson Grove nachfragen können – nur, um dort zu erfahren, dass er nicht mehr da war und angeblich niemand wusste, wo du dich

Weitere Kostenlose Bücher