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Der Verräter von Westminster

Der Verräter von Westminster

Titel: Der Verräter von Westminster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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nicht dazu.«
    »Du sagtest, ein ansehnlicher Betrag?«
    »Ja, so ansehnlich, dass es sich durchaus lohnen würde, ihn zu stehlen. Es hat einen Mann das Leben gekostet, dass er diesen Betrag nicht zur Verfügung hatte. Falls Victor überhaupt seine Stellung im Sicherheitsdienst mit einem Diebstahl aufs Spiel setzen würde, müssten es schon die Kronjuwelen oder etwas Vergleichbares sein. Jemand hat die Sache mit außerordentlicher Gerissenheit eingefädelt. Ich habe zwar einen Verdacht, wer das sein könnte, aber er gründet sich auf nichts Greifbares, und möglicherweise gehe ich mit dieser Vermutung auch vollständig in die Irre.«
    »Und wo ist Narraway?«, fragte er.
    »In Irland.«
    »Etwa im Gefängnis?«, fragte er. »Aber wieso in Irland?« Das musste er genauer erkunden. Er hatte ihn in London vermutet.
    »Soweit ich weiß, ist er aus eigenem Entschluss dort hingereist, weil er überzeugt ist, dass Iren hinter diesem Manöver stecken und er die Lösung des Falles dort finden wird.« Sie biss sich leicht auf die Lippe. Er konnte sich nicht erinnern, sie je so tief besorgt gesehen zu haben.
    »Tante Vespasia?« Er beugte sich ein wenig vor.
    »Er war sicher, dass es da um eine persönliche Abrechnung geht«, fuhr sie fort. »Einen Akt der Rache für eine lange zurückliegende Verletzung. Ursprünglich hatte ich angenommen,
dass er damit Recht haben könnte, auch wenn das für diese Art von Selbstjustiz eine lange Zeit ist und die Iren nie besonders geduldig waren, schon gar nicht, wenn es um Rache geht. Ich hatte angenommen, dass neu eingetretene Umstände …«
    »Du sagst, du hast das ursprünglich angenommen – heißt das, dass du deine Meinung geändert hast?«, fragte er.
    »Nach allem, was du mir über deine Erlebnisse in Frankreich und deinen Mitarbeiter Gower gesagt hast, den weder du noch sonst jemand im Sicherheitsdienst verdächtigt zu haben scheint, vermute ich, dass sich Victor geirrt hat«, sagte sie. »Ich nehme an, dass das Ganze überhaupt nichts mit persönlicher Rache zu tun hat, sondern lediglich dem Zweck dient, ihn aus seinem Amt in London zu boxen und es jemandem mit weit geringeren Fähigkeiten zuzuschanzen – wenn nicht gar, schlimmer noch, jemandem, der mit den Sozialisten unter einer Decke steckt oder zumindest mit ihnen sympathisiert. Auch würde ich denken, dass man dich aus demselben Grund nach Frankreich gelockt hat.«
    Ein bitteres Lächeln trat auf seine Züge. »Ich verfüge weder über Narraways Erfahrung noch über seine Macht«, teilte er ihr offen mit. »Daher lohnt es sich für die Leute nicht, mich wegzulocken.«
    »Du bist zu bescheiden, mein Lieber.« Sie sah ihn freundlich an. »Wahrscheinlich hättest du dich mit Zähnen und Klauen für Victor eingesetzt. Ich denke, du kannst ihn gut leiden, und selbst wenn diese Einschätzung nicht zutreffen sollte, bist du ihm auf jeden Fall verpflichtet. Immerhin hat er dich beim Sicherheitsdienst untergebracht, als dich die Londoner Polizei entlassen hat und klar war, dass du auf keinen Fall je wieder dorthin zurückkehren könntest, weil du dort zu viele Feinde hast. Das war für ihn nicht ganz ungefährlich, denn er hat sich damit selbst weitere Feinde geschaffen. Es gibt durchaus
Kreise, die seine damalige Handlungsweise nicht schätzen. Die meisten dieser Männer befinden sich inzwischen nicht mehr im Amt, aber damals war das durchaus gefährlich. Du hast das Vertrauen, das er in dich gesetzt hat, mehr als gerechtfertigt, und jetzt kannst du ihm seinen Mut vergelten. Ich nehme nicht an, dass du das anders siehst.«
    Sie sah ihn fest an. »Ganz davon abgesehen sind auch dir viele im Sicherheitsdienst feindlich gesonnen, weil er dir diesen Gefallen erwiesen hat und du auch ziemlich schnell aufgestiegen bist. Jetzt, wo er nicht mehr da ist, ist die Frage durchaus offen, wie lange du dich dort noch halten kannst. Selbst wenn du Glück hättest und man dich nicht sofort entlässt, müsstest du dich ständig absichern und auf das Schlimmste gefasst sein. Falls du das nicht wissen solltest, wärest du ein weit argloseres Gemüt, als ich bisher angenommen habe.«
    »Die Treue, die ich ihm schulde, hätte genügt«, erwiderte er ihr. »Aber natürlich hast du Recht. Mir ist klar, dass meine Stellung dort ohne Narraways Schutz auf die Dauer unhaltbar wäre.«
    Mit sanfter Stimme fuhr sie fort: »Mein Lieber, es ist aus mehreren Gründen unerlässlich, dass wir alles tun, was wir können, um Victors guten Namen wiederherzustellen. Ich

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