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Der Verräter von Westminster

Der Verräter von Westminster

Titel: Der Verräter von Westminster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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gefährliche Aufgabe, und Ihr Land braucht Sie mehr denn je.«
    Pitt schüttelte ihm die Hand, dankte ihm und trat hinaus in die Nacht, ohne deren Kühle zu bemerken, denn die Kälte war bereits in ihm. Was Stoker über die Möglichkeit gesagt hatte, dass Narraways Bank in die Affäre verwickelt war, mochte stimmen, auch wenn er es nicht recht glaubte. Alles andere kam ihm vor wie ein sonderbares Sammelsurium von Übertreibungen und Unwahrheiten. Er konnte sich nicht mit der Vorstellung anfreunden, dass sich Narraway so grundlegend geändert haben sollte. Seiner festen Überzeugung nach hatte er weder fremdes Geld an sich gebracht noch die Werte, auf die sich sein ganzes Wesen gründete, so verleugnet, dass er sich auf die Weise hätte verhalten können, die Stoker beschrieben hatte. Hätte der Mann nicht außerdem Charlottes Anwesenheit
in Irland zumindest bemerken müssen? War womöglich Stoker der Verräter in Lisson Grove?
    Er fühlte sich so hilflos wie jemand, der im Treibsand feststeckte. Keine seiner Einschätzungen stimmte. Er hatte Stoker vertraut, Gower sogar gut leiden können, und er hätte sein Leben bereitwillig in Narraways Hände gelegt … Er gestand sich ein, dass er das nach wie vor tun würde.
    Croxdales Kutsche stand bereit, ihn nach Hause zu bringen. Undeutlich erkannte er den Schatten eines Mannes auf dem Gehweg, der auf ihn zukam, achtete aber nicht darauf. Der Kutscher öffnete den Schlag, und er stieg ein. Auf dem ganzen Weg bis zur Keppel Street war ihm elend, und er fror. Nur gut, dass es spät war, so konnte er sich die ungeheure Anstrengung ersparen, die nötig gewesen wäre, seine Enttäuschung vor Daniel und Jemima verbergen zu müssen. Wenn er Glück hatte, schlief auch Minnie Maude bereits.
     
    Am nächsten Morgen überlegte er es sich auf halbem Weg zu seiner Dienststelle anders und suchte Lady Vespasia auf, statt gleich nach Lisson Grove zu gehen. Zwar war es für einen privaten Besuch noch zu früh, doch für den Fall, dass sie noch nicht aufgestanden war, war er gern bereit zu warten. Sein Bedürfnis, mit ihr zu sprechen, war so dringend, dass er dafür alle Regeln von Anstand und Höflichkeit sowie jede Rücksichtnahme in den Wind schlug, in der festen Überzeugung, dass sie den Grund für sein Verhalten verstehen würde.
    Es erwies sich, dass sie bereits aufgestanden war. Da sie beim Frühstück war, nahm er ihre Einladung zu einer Tasse Tee an, wollte aber nichts essen.
    » Verpflegt euer neues Mädchen dich ordentlich?«, fragte sie mit einem Anflug von Besorgnis.
    »Ja«, sagte er und wunderte sich, dass seine Stimme dabei überrascht klang. »Sie ist ausgesprochen tüchtig und auch angenehm
im Umgang. Ehrlich gesagt bin ich aber nicht …« Als er ihr verständnisvolles Lächeln sah, verstummte er.
    »Du bist nicht um diese frühe Stunde gekommen, um dir von mir eine Empfehlung für ein neues Mädchen zu holen«, sagte sie. » Was gibt es, Thomas? Du siehst richtig bedrückt aus. Ich vermute, dass sich etwas Neues ergeben hat.«
    Er berichtete ihr alles, was seit ihrer letzten Begegnung geschehen war, und teilte ihr auch mit, wie enttäuscht und entsetzt er von Stokers plötzlichem Treubruch war. Ebenso wenig verschwieg er ihr die von diesem berichteten Einzelheiten über Narraways angebliches Verhalten.
    »Es kommt mir vor, als wäre ich ganz und gar unfähig, den Charakter anderer Menschen zu beurteilen«, sagte er niedergeschlagen und so wenig selbstironisch, dass er fürchtete, es klänge nach Selbstmitleid.
    Sie hörte ihm zu, ohne ihn zu unterbrechen. Als sie ihm eine zweite Tasse Tee eingoss, verzog sie das Gesicht, weil sie merkte, dass er kalt war.
    »Das macht nichts«, sagte er rasch. »Ich brauche keinen mehr.«
    »Führen wir uns doch einmal ein Gesamtbild der Situation vor Augen«, sagte sie. »Unbestreitbar hast du dich in Bezug auf Gower geirrt. Da es aber allen anderen in Lisson Grove, einschließlich Victor Narraway, ebenso ergangen ist, macht dich das keineswegs zu einem Versager, mein Lieber. Wenn man bedenkt, dass er dein Mitarbeiter war, hattest du allen Grund, von ihm Loyalität zu erwarten. Damals war es nicht deine Aufgabe, Mitarbeiter zu beurteilen und Entscheidungen dieser Art zu treffen – jetzt hingegen schon.«
    »Ich habe mich auch in Bezug auf Stoker geirrt«, gab er zu bedenken.
    »Möglich. Aber wir sollten keine übereilten Schlüsse ziehen. Das Einzige, was du weißt, ist, dass sein Bericht an Croxdale
Victor als schuldig erscheinen

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