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Der Verräter von Westminster

Der Verräter von Westminster

Titel: Der Verräter von Westminster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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kam es da noch an? Eine aufrichtige? Nein, eine gütige.
    Sie wandte sich um und warf rasch einen Blick zu Lady Vespasia hinüber.
    Diese nickte.
    Charlotte trat einen halben Schritt näher auf die Königin zu. »Nein, Ma’am. Ich muss Ihnen gestehen, dass ich keine Krankenschwester bin. Ich habe das dem Mann an der Tür nur gesagt, damit man mich einließ.«
    Die Königin wandte ihr das Gesicht zu und sah sie mit kalten Augen an. »Und warum?«

    Charlotte merkte, dass ihr Mund ausgedörrt war. Sie musste sich die Lippen mit der Zunge befeuchten, bevor sie sprechen konnte. »Mein Mann arbeitet für den Sicherheitsdienst, Ma’am. Gestern ist er dahintergekommen, was die Männer hier im Hause vorhaben. Er ist nach London zurückgekehrt, um Hilfe unter denen zu suchen, denen wir vertrauen können. Lady Vespasia, Mr Narraway und ich sind gekommen, um Sie, wie wir hofften, rechtzeitig zu warnen. Offensichtlich sind wir zu spät gekommen, aber jetzt, da wir hier sind, werden wir alles tun, was in unseren Kräften steht, um Ihnen zu helfen.«
    Die Königin zwinkerte. »Sie haben gewusst, dass die … Kreaturen hier sind?«, fragte sie ungläubig.
    »Ja, Ma’am. Als wir ankamen, ist Lady Vespasia aufgefallen, dass ein Mann, der so tat, als sei er Gärtner, den Petunien die Triebe abgehackt hat – das würde kein richtiger Gärtner tun.«
    Die Königin sah an Charlotte vorüber zu Lady Vespasia hin, die nach wie vor auf der anderen Seite des Raumes saß.
    »Das stimmt, Ma’am«, beantwortete diese die unausgesprochene Frage der Königin.
    Jetzt griff Narraway ein. Er trat vor, machte eine angedeutete Verbeugung, die nichts weiter war als ein leichtes Neigen des Kopfes. »Die Männer sind gewalttätig, Ma’am, und wir sind überzeugt, dass sie alle erblichen Vorrechte des Adels in ganz Europa abschaffen wollen …«
    »Alle erblichen Vorrechte«, unterbrach sie ihn. »Wollen Sie damit etwa sagen …«, sie stockte, »… wie in Frankreich?« Sie war erbleicht, was vermuten ließ, dass sie an die Guillotine und die Hinrichtung des französischen Königs und seiner Familie dachte.
    »Nicht auf diese gewaltsame Weise, Ma’am«, erklärte Narraway. » Wir nehmen an, dass sie von Ihnen die Unterzeichung
eines Gesetzes zur Abschaffung des Oberhauses verlangen werden, sobald sie den richtigen Augenblick für gekommen halten …«
    »Nie und nimmer!«, sagte sie mit Nachdruck. Dann schluckte sie. »Es macht mir nichts aus zu sterben, falls die Leute es darauf abgesehen haben. Aber sie sollen meinen Hofstaat verschonen. Sie waren mir alle treu und haben es nicht verdient, dass man ihnen ihren Dienst auf diese Weise vergilt. Manche von ihnen sind noch jung … Können Sie erreichen … dass man sie … in Frieden lässt?«
    » Wenn Sie gestatten, Ma’am, werde ich versuchen, die Sache so lange hinauszuzögern, bis Hilfe kommt«, gab er zurück.
    » Warum schickt der Sicherheitsdienst nicht das Militär oder zumindest die Polizei?«, fragte sie.
    »Es besteht die Gefahr, dass die Leute zur Gewalttat greifen, wenn sie merken, dass man Ihnen mit einem großen Aufgebot zu Hilfe kommt«, erläuterte er. »Sie sind schrecklich nervös und fürchten ein Scheitern ihres Vorhabens, weil sie wissen, dass dann der Galgen auf sie wartet. Wir dürfen sie auf keinen Fall in Panik versetzen, sondern müssen unbedingt so unauffällig vorgehen, dass sie nichts davon merken. Alles muss ganz normal aussehen, bis es für die Leute zu spät ist, Gewalt anzuwenden.«
    »Ich verstehe«, sagte sie gefasst. »Ich hatte mich für mutig gehalten, als ich vorhin sagte: ›Hier sterben wir.‹ Es sieht ganz so aus, als hätte ich damit mehr Recht gehabt, als mir bewusst war. Auf jeden Fall werde ich hier in diesem Raum bleiben, in dem ich früher so glücklich war.« Sie sah aus dem Fenster. » Was meinen Sie, ist es im Himmel so, Mr … wie war Ihr Name noch?«
    »Narraway, Ma’am. Ja, das ist gut möglich. Jedenfalls hoffe ich das.«

    »Reden Sie mir nicht nach dem Mund!«, fuhr sie ihn an.
    »Falls Gott Engländer ist, Ma’am, ist es sicher so«, gab er trocken zurück.
    Sie wandte sich ihm zu, sah ihn aufmerksam eine Weile an und lächelte dann.
    Er verneigte sich erneut, wandte sich dann ab und ging zur Tür.
    Von dort aus sah er einen der beiden Bewaffneten auf halber Treppe.
    Der Mann musste die Bewegung aus dem Augenwinkel wahrgenommen haben, denn er fuhr herum und riss sein Gewehr hoch.
    Narraway blieb stehen. Von Fotos des Sicherheitsdienstes

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