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Der Verräter von Westminster

Der Verräter von Westminster

Titel: Der Verräter von Westminster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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diese Bewegung teile sich seinem ganzen Körper mit. War ihm seine Beförderung auf den Posten des Dienststellenleiters zu Kopf gestiegen, und stand er jetzt im Begriff, das Unüberlegteste zu
tun, was er je getan hatte? Warf er mit einer Handlungsweise, die im Licht des Tages wie das Tun eines Wahnsinnigen oder eines Verräters aussehen würde, alles von sich? Gewiss war es besser zu warten, sich zurückzuhalten, einen anderen um Rat zu fragen.
    Und wenn nun Stoker der Verräter war und Pitt mit voller Absicht in diese Falle lockte? Wenn er in Austwicks Auftrag arbeitete und jetzt den einzigen Mann festnahm, der ihnen noch im Weg stand?
    War das Ganze womöglich ein abgekartetes Spiel mit dem Ziel, den Sicherheitsdienst zugrunde zu richten, ihn jeglicher Glaubwürdigkeit zu berauben, so dass man ihn abschaffen konnte?
    Er erstarrte.
    Stoker schlich auf Zehenspitzen durch das Vestibül und blieb, kaum als Schatten wahrnehmbar, im Rahmen der Tür neben dem Arbeitszimmer stehen, so dass ihm Croxdale den Rücken zukehren würde, wenn er herauskam, um mit Pitt zu sprechen.
    Die Sekunden schlichen dahin.
    Telefonierte Croxdale da drin mit dem Premierminister? Was konnte er ihm dabei sagen? Würde er ihn persönlich aufsuchen müssen, um die Erlaubnis zu erwirken, Osborne House mit einem Trupp Bewaffneter zu entsetzen? Nein – hier handelte es sich um einen Notfall. Es gab keine Zeit für langes Hin und Her oder große Erklärungen. Stand er im Begriff, Austwicks Festnahme zu veranlassen?
    Die Tür zum Arbeitszimmer bewegte sich, und Croxdale trat heraus. Jetzt musste Pitt handeln, während der Minister durch das unbeleuchtete Vestibül auf das Empfangszimmer zuging.
    Er trat vor. »Sir Gerald, Austwick ist nicht der Anführer des geplanten Anschlags.«

    Croxdale blieb stehen. » Was zum Teufel soll das? Falls jemand anders dahintersteckt, warum haben Sie mir das nicht gleich gesagt?«
    » Weil ich es da noch nicht wusste«, gab Pitt unumwunden zurück.
    Croxdales Gesicht war wegen der Dunkelheit nicht zu erkennen. »Und jetzt wissen Sie es?«, fragte er leise. War das Ungläubigkeit, oder hatte er endlich begriffen?
    »Ja.«
    Lautlos schlich sich Stoker bis auf einen Schritt an Croxdale heran, wobei er darauf bedacht war, keinen Schatten zu werfen.
    »So, so. Und wer soll das sein?«, fragte Croxdale.
    »Sie.«
    Völliges Schweigen trat ein.
    Croxdale war ein breitschultriger, schwerer Mann. Pitt fragte sich, ob er und Stoker imstande sein würden, ihn zu überwältigen, falls er sich wehrte und nach dem Lakaien rief, der sich sicher irgendwo in der Nähe bereithielt – hoffentlich in der Küche, denn um ihn dort zu erreichen, würde man nach ihm läuten müssen.
    »Sie haben einen Fehler begangen«, teilte ihm Pitt mit, allein schon, damit Croxdale es nicht hörte, falls Stoker doch irgendein Geräusch verursachte.
    »Tatsächlich? Und welchen?« Croxdales Stimme klang nicht beunruhigt. Binnen Sekunden hatte er seine Haltung wiedergefunden.
    »Der Betrag, den Sie an Mulhare gezahlt haben.«
    »Das war er wert. Er hat uns Byrne ausgeliefert«, gab Croxdale zurück. In seiner Stimme lag unverhohlene Verachtung. »Falls Sie Ihr Aufgabengebiet kennen würden, wäre Ihnen das bewusst.«
    »Das kenne ich gut«, gab Pitt zurück und sah Croxdale unverwandt an, damit sich dieser auf keinen Fall umdrehte und
merkte, dass Stoker hinter ihm stand. »Es geht nicht darum, ob das, was wir von Mulhare erfahren haben, das wert war oder nicht, sondern darum, dass die Anweisung von einer zweiten Person genehmigt werden musste. Aus diesem Grund trägt sie auch Ihre Unterschrift.«
    »Ja, und?«, fragte Croxdale. »Dagegen ist nichts einzuwenden, denn sie war rechtmäßig.«
    »Sie hat dazu gedient, Narraway auszubooten – und Sie hatten gesagt, dass Sie nichts davon wüssten«, erinnerte ihn Pitt.
    Croxdale nahm die Hände aus den Taschen. In der Linken hielt er eine kleine Pistole. Während er sie hob und in Anschlag brachte, brach sich ein schmaler Lichtstrahl darin, der hinter Pitts Rücken aus dem Empfangszimmer ins Vestibül fiel.
    Pitt drehte sich rasch um, als stehe Stoker hinter ihm. Im selben Augenblick hob dieser ein Bein und trat Croxdale gezielt gegen den linken Ellbogen.
    Die Waffe flog durch die Luft. Pitt streckte sich, und es gelang ihm, sie zu fangen. Blitzschnell fuhr Croxdale zu Stoker herum, verdrehte ihm den Arm, so dass er zu Boden sank, und nahm ihn in den Würgegriff.
    »Geben Sie mir die Pistole zurück, wenn

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