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Der Verräter von Westminster

Der Verräter von Westminster

Titel: Der Verräter von Westminster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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können.
    Er war nach wie vor tief in Gedanken versunken, als der Zug nach etwa einer Viertelstunde die Fahrt verlangsamte und schließlich mit einem mächtigen Dampfstoß stehen blieb. Pitt fuhr hoch und suchte den Schaffner in seinem Dienstabteil auf.
    » Was ist los?«, fragte er. » Warum halten wir an? Wo sind wir?«
    » Wir laden Post aus, was sonst?«, sagte der Schaffner mit ausgesuchter Geduld. »Das ist unsere Aufgabe. Gehen Sie wieder an Ihren Platz und verhalten Sie sich ruhig, Sir. Wir fahren weiter, wenn es so weit ist.«
    » Wo halten Sie denn noch an?«, fragte Pitt mit einer Stimme, die lauter und herrischer war, als er beabsichtigt hatte. Die Situation zerrte unverkennbar an seinen Nerven.
    Der Schaffner stand stocksteif vor ihm und sagte mit finsterer Miene: »Überall da, wo wir Post aufnehmen oder ausladen müssen, Sir. Wie ich schon gesagt habe, das ist unsere Aufgabe. Gehen Sie einfach wieder an Ihren Platz, Sir.«
    Pitt nahm seine Dienstmarke heraus und hielt sie dem Mann unter die Nase. »Wir sind in einem äußerst dringenden Notfall unterwegs. Ich handele im Auftrag der Königin und muss vor Sonnenaufgang auf der Isle of Wight sein. Laden Sie die Post auf dem Rückweg aus, oder lassen Sie sie vom nächsten Zug aufnehmen, der durchkommt.«
    Der Mann sah Pitt mit einer Mischung aus Stolz und Abscheu an. »Auch ich handele im Auftrag der Königin, Sir, denn ich befördere die königliche Post. Sie kommen nach Portsmouth, wenn wir mit unserer Arbeit fertig sind. Wie ich schon
gesagt habe: Gehen Sie wieder an Ihren Platz und lassen uns unsere Arbeit tun. Sie halten uns nur auf, und das kann ich nicht dulden, Sir. Sie haben uns schon genug Ärger gemacht.«
    Pitt spürte, wie unbeherrschter Zorn in ihm aufstieg und er Lust bekam, den Mann zu ohrfeigen. Das aber wäre ungerecht gewesen, denn er tat nur seine Pflicht. Er hatte keine Vorstellung, wer Pitt war, außer irgendeine Art Polizeibeamter.
    Durfte er ihm auch nur einen Teil der Wahrheit enthüllen? Nein. Man würde ihn für geistesgestört halten. Er konnte nichts beweisen und würde das Ganze mit einem solchen Vorgehen nur noch mehr verzögern. Voll Entsetzen kam ihm die Erinnerung an seine letzte Bahnfahrt und deren schauerliches Ende. Unwillkürlich trat ihm das Bild eines zerschmetterten Körpers am Bahndamm vor Augen. Gott sei Dank hatte er Gower wenigstens nicht in diesem Zustand gesehen.
    Er kehrte an seinen Platz zurück und setzte sich wieder.
    »Sir«, sagte Stoker.
    »Wir halten an jedem Bahnhof an«, sagte Pitt, bemüht, seine Stimme gleichmütig klingen zu lassen. »Ohne ihm die Wahrheit zu sagen, kann ich ihn nicht dazu bringen, das nicht zu tun.« Mit schiefem Lächeln fügte er hinzu: »Der Zug befördert die königliche Post, und der darf nichts im Wege stehen.«
    Stoker setzte an, als wolle er etwas sagen, überlegte es sich dann aber anders. Es kostete Pitt nicht die geringste Mühe, alles, was er empfand, auf seinem Gesicht abzulesen.
    Die Fahrt ging quälend langsam voran. Keiner sprach mehr ein Wort, bis der Zug schließlich im Bahnhof von Portsmouth anhielt. Inzwischen begann der Himmel sich im Osten hell zu färben. Austwick machte ihnen keine Schwierigkeiten, während sie durch die noch nahezu verlassen daliegenden Straßen zum Hafen gingen, wo sie ein großes Ruderboot fanden, mit dem sie übersetzen konnten.

    Die See war kabbelig, und eine kräftige Brise wehte. Unter diesen Bedingungen zu rudern war Schwerarbeit, und sie mussten sich mächtig in die Riemen legen, um voranzukommen.
    Schließlich erreichten sie einen Landesteg, machten das Boot fest und eilten dann sogleich Osborne House entgegen, das von ferne über die Wipfel der noch kahlen Bäume hinweg zu erkennen war. Sie schritten so rasch aus, wie sie konnten, denn weit und breit sahen sie niemanden, von dem sie ein Transportmittel hätten mieten oder sich leihen können.
    Die Sonne stand schon über dem Horizont, als sie die Grenze des Anwesens erreichten. Die wellige Parklandschaft und der grandiose Palast lagen schlafend vor ihnen. Nichts außer Vogelgezwitscher unterbrach die Stille um sie herum.
    Einen Augenblick lang beschlichen Pitt entsetzliche Zweifel. War das Ganze nichts als ein ganz und gar unwirklicher ungeheuerlicher Alptraum? Hatten sie womöglich alles falsch verstanden? Stand er im Begriff, bei der Königin hereinzuplatzen und sich endgültig zum Narren zu machen?
    Stoker schritt weiterhin kräftig aus, wobei er Austwick nach wie vor fest

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