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Der Verräter von Westminster

Der Verräter von Westminster

Titel: Der Verräter von Westminster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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denke ich mir, dass Sie auf die Füße fallen werden«, sagte Charlotte eine Spur schroff.
    Mrs Waterman warf ihr einen kalten Blick zu, holte Luft, um etwas zu antworten, unterließ es dann aber und öffnete die Haustür. Sie zerrte ihren offenbar sehr schweren Koffer nach draußen und trat dann auf den Bürgersteig, um einer Droschke zu winken.
    Charlotte schloss die Tür, als Jemima herunterkam. Das Mädchen wuchs rasch und würde bestimmt so groß werden wie ihre Mutter. Nach den allmählich weiblicher werdenden Formen ihres Körpers und der Sicherheit zu urteilen, mit der sie sich zu bewegen begann, würde es nicht mehr lange dauern, bis sie eine erwachsene Frau war.
    »Wo will Mrs Waterman denn hin?«, fragte sie. »Es ist Frühstückszeit. «
    Um den heißen Brei herumzureden war sinnlos. »Sie geht«, gab Charlotte gelassen zurück.
    »Um diese Tageszeit?« Jemima hob die Brauen, die genauso elegant geschwungen waren wie die ihrer Mutter.
    »Ja, die andere Möglichkeit wäre gestern Abend gewesen«, gab Charlotte zurück.
    »Hat sie etwa gestohlen?« Jemima hatte jetzt die unterste Stufe erreicht. »Das kann ich mir von der überhaupt nicht vorstellen. Die könnte sich doch nie wieder im Spiegel ansehen. Aber wenn ich es mir recht überlege, tut sie das vielleicht sowieso nie, weil er dann zerspringen würde.«
    »Boshafte Äußerungen dieser Art sind äußerst ungehörig«, sagte Charlotte mit Schärfe. »Nicht ich habe ihr gekündigt, sondern sie mir«, fügte sie hinzu. »Leider ist es ein ausgesprochen ungünstiger Augenblick dafür …«
    Inzwischen war Daniel am oberen Treppenabsatz aufgetaucht. Er wollte gerade das Geländer herunterrutschen, als er seine Mutter sah und stattdessen mit betont würdigen
Schritten herabkam, als habe er nie etwas anderes vorgehabt.
    »Geht Mrs Waterman weg?«, fragte er mit hoffnungsvoller Stimme.
    »Sie ist bereits fort«, gab seine Mutter zurück.
    »Juhu! Kommt Gracie jetzt wieder?«
    »Natürlich nicht«, sagte Jemima in tadelndem Ton. »Sie ist jetzt verheiratet, da muss sie zu Hause bleiben und sich um ihren Mann kümmern. Wir bekommen sicher jemand anders, nicht wahr, Mama?«
    »Ja. Und sobald wir gefrühstückt haben und ihr in der Schule seid, werde ich mich nach einer passenden Person umsehen.«
    »Wo?«, erkundigte sich Daniel neugierig, während er ihr durch den Gang in die Küche folgte, in der alles vor Sauberkeit blitzte. Zwar hatte Mrs Waterman sie in einwandfreiem Zustand hinterlassen, aber nicht das Geringste für das Frühstück vorbereitet. Sie hatte nicht einmal den Herd ausgeräumt oder gar Feuer gemacht. Er war gerade noch handwarm, und so würde es eine ganze Weile dauern, bis die nötigen Handgriffe erledigt waren, um ihn für ein warmes Frühstück heiß genug zu bekommen – auf jeden Fall so lange, dass die Zeit dafür nicht gereicht hätte, bevor die Kinder in die Schule mussten. Selbst für die Zubereitung von Tee und das Rösten von Toast wurde der Herd gebraucht.
    Nur mit Mühe unterdrückte Charlotte den in ihr aufsteigenden Zorn. Wenn sie einen Wunsch frei gehabt hätte, außer dem, dass Pitt wieder zu Hause wäre, hätte sie sich Gracie zurückgewünscht. Allein schon deren Munterkeit, Offenheit und Entschlossenheit, sich durch nichts und niemanden unterkriegen zu lassen, würde alles leichter machen.
    Aber sie war nun einmal nicht da, und Charlotte freute sich für Gracie, dass sich für diese endlich der Traum von einem eigenen Zuhause erfüllt hatte.

    »Es tut mir leid«, sagte sie zu Daniel und Jemima, »aber auf etwas Warmes werden wir alle bis heute Abend warten müssen. Heute Morgen gibt es nur Brot mit Konfitüre und ein Glas Milch.« Ohne auf eine Antwort der beiden zu warten, ging sie in die Speisekammer, um Milch, Butter und Konfitüre zu holen. Dabei versuchte sie sich zurechtzulegen, mit welchen Worten sie ihnen mitteilen wollte, dass sie sie für eine Weile verlassen und nach Irland gehen musste. Allerdings hing das davon ab, dass sie jemanden fand, auf den in jeder Hinsicht Verlass war. Wo aber sollte sie in einem halben Tag einen solchen Menschen finden? Sie würde gründlich überlegen müssen. Im allerschlimmsten Fall konnte sie die Kinder zu Emily bringen und deren Dienstboten bitten, sich um sie zu kümmern, bis sie selbst aus Irland oder Pitt aus Frankreich zurückkam – oder Emily aus Paris.
    Sie kehrte mit Milch, Butter und Konfitüre zurück und stellte alles auf den Tisch. Während Jemima die Messer und die

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