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Der Verräter von Westminster

Der Verräter von Westminster

Titel: Der Verräter von Westminster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Konfitürelöffel auflegte, stellte Daniel für jeden ein Glas hin. Mit einem Mal spürte Charlotte, wie sich ihr die Kehle zuschnürte. Wie hatte sie auch nur eine Sekunde lang erwägen können, die beiden in der Obhut der alles missbilligenden Mrs Waterman zurückzulassen? Warum nur musste Emily ausgerechnet jetzt fort sein, wo sie sie so dringend brauchte?
    Sie ging an die Brottrommel, öffnete sie, nahm den Laib heraus und legte ihn zusammen mit dem Brotmesser auf das Schneidebrett.
    »Danke«, sagte sie, als das letzte Glas auf dem Tisch stand. »Ich weiß, dass es ein bisschen früh ist, aber wir sollten gleich anfangen. Ich hätte eher aufstehen und Feuer im Herd machen müssen, denn ich habe ja gewusst, dass Mrs Waterman fortgeht. Ich habe einfach nicht daran gedacht. Es tut mir leid.« Sie schnitt drei Scheiben Brot ab, jeder nahm eine, bestrich sie mit Butter und wählte seine Lieblingskonfitüre: Jemima
entschied sich für Himbeere, Daniel – ganz wie sein Vater – für schwarze Johannisbeere und Charlotte für Aprikose. Sie goss Milch in die Gläser.
    »Warum ist sie denn gegangen, Mama?«, fragte Daniel.
    Dies eine Mal unterließ Charlotte es, ihn zu ermahnen, nicht mit vollem Mund zu sprechen. Seine Frage verdiente zwar eine aufrichtige Antwort – aber wie viel würde er verstehen? Er sah sie aufmerksam mit seinen grauen Augen an, die genau wie die seines Vaters waren. Jemima wartete ebenfalls, das Brot halb zum Mund geführt. Vielleicht war die reine Wahrheit, knapp und furchtlos erzählt, die einzige Möglichkeit, um später nicht lügen zu müssen. Wenn sie je merkten, dass ihnen ihre Mutter die Unwahrheit gesagt hatte, wäre ihr Vertrauen wohl selbst dann dahin, wenn sie die Gründe dafür verstanden.
    »Weil er wollte, dass wir uns keine Sorgen darüber machten, dass euer Vater nicht nach Hause kam, war Mr Narraway neulich abends hier, um mir zu sagen, dass euer Vater nach Frankreich musste, ohne uns das vorher mitteilen zu können.«
    »Das hast du uns doch schon gesagt«, fiel ihr Jemima ins Wort. »Aber warum ist Mrs Waterman gegangen?«
    »Mr Narraway war gestern Abend noch einmal hier, und zwar ziemlich spät. Er ist eine Weile geblieben, weil man ihm übel mitgespielt hat. Man hat ihm die Schuld für etwas gegeben, was er nicht getan hat, und jetzt ist er nicht mehr der Vorgesetzte eures Vaters. Weil das ziemlich wichtig ist, hat er es mir gesagt.«
    Jemima zog die Stirn kraus. »Das verstehe ich nicht. Was hat das mit Mrs Waterman zu tun? Ist sie gegangen, weil wir sie nicht mehr bezahlen können?«
    »Natürlich nicht deshalb«, sagte Charlotte rasch, obwohl das möglicherweise für die Zukunft nicht mehr unbedingt
gelten würde. »Sie war nicht damit einverstanden, dass Mr Narraway am Abend gekommen ist, um mir das zu berichten.«
    »Warum nicht?« Daniel legte das Brot aus der Hand und sah zu ihr her. »Hätte er es dir nicht sagen sollen? Und woher wusste sie das überhaupt? Ist sie auch bei der Polizei?«
    Pitt hatte es für richtig gehalten, seinen Kindern nicht zu erklären, worin der Unterschied zwischen der Polizei und dem Sicherheitsdienst bestand. Während Erstere Verbrechen aufdeckte, hatte man Letzteren ins Leben gerufen, um Gewalttaten, Bedrohungen der öffentlichen Sicherheit und Fälle von Hochverrat zu bekämpfen. Aber dies war nicht der richtige Zeitpunkt, um Daniel das nun darzulegen.
    »Nein«, sagte sie. »Damit hat sie nicht das Geringste zu tun. Sie war der Ansicht, dass ich nach Einbruch der Dunkelheit keinen fremden Mann hätte ins Haus lassen dürfen, während euer Vater nicht da ist. Sie hat gesagt, das gehöre sich nicht und sie könne nicht in einem Haus bleiben, wo sich die Hausherrin nicht jederzeit tadelfrei aufführt. Ich habe versucht, ihr zu erklären, dass es sich um einen Notfall handelte, aber sie hat mir nicht geglaubt.« Wäre Charlotte nicht mit noch dringenderen Problemen beschäftigt gewesen, hätte das nach wie vor an ihr genagt.
    Daniel sah weiterhin verständnislos drein, aber es war deutlich zu sehen, dass Jemima begriffen hatte.
    Sie schlug sich sofort auf die Seite der Mutter. »Wenn die impertinente Person nicht von sich aus gegangen wäre, hättest du sie unbedingt vor die Tür setzen müssen.« »Impertinent« war ihr neues Lieblingswort, wenn es darum ging, jemanden herabzusetzen.
    »Das stimmt«, gab ihr Charlotte Recht. Eigentlich hatte sie den beiden sagen wollen, dass sie auf jeden Fall nach Irland musste, unterließ es aber

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