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Der Verräter von Westminster

Der Verräter von Westminster

Titel: Der Verräter von Westminster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Narraway, wie er sagte, schuldlos war, hatte jemand mit voller Absicht Beweismaterial gefälscht, um ihn als schuldig hinzustellen. Nichts würde diese Leute daran hindern, mit Pitt ebenso zu verfahren. Es war sogar durchaus möglich, dass er bereits in die Sache verwickelt war. Dann würde er in die Falle gehen, sobald er aus Frankreich zurückkehrte. Nur ein Dummkopf würde ihm genug Zeit lassen, eine Verteidigungslinie aufzubauen oder gar Beweise für seine Schuldlosigkeit und damit gleichzeitig für die Schuld der Gegenseite zu sammeln.
    Was nur mochte der Grund für all das sein? Wollte sich wirklich jemand an Narraway für einen Fall aus früheren Zeiten rächen, oder war jenen Leuten bekannt, dass er etwas über
sie wusste, weshalb sie unbedingt verhindern mussten, dass er der Sache nachging? Was auch immer es war, was auch immer Narraway getan oder nicht getan haben mochte, Charlotte sah es als ihre Aufgabe an, ihren Mann zu schützen. Narraway konnte unmöglich getan haben, was man ihm vorwarf. Daran zweifelte sie keine Sekunde lang.
    Jetzt aber musste sie eine Frau finden, die sich während ihrer Abwesenheit um die beiden Kinder kümmerte. Der Teufel mochte Mrs Waterman holen – das dumme Geschöpf!
     
    Charlotte war so müde, dass sie recht gut schlief, doch gleich nach dem Aufwachen fiel ihr am nächsten Morgen alles mit einem Schlag wieder ein. Während sie im Nachthemd im Schlafzimmer stand, ging sie in Gedanken durch, was zu tun war. Dass sie das Frühstück selbst machen musste, störte sie nicht weiter. Daran war sie gewöhnt, denn sie hatte das in den Anfängen ihrer Ehe stets getan. Vor allem musste sie dafür sorgen, dass Mrs Waterman das Haus verließ und den beiden Kindern zumindest in etwa erklären, was geschehen war. Bei Jemima war das möglicherweise nicht so schwierig, denn sie war mit ihren dreizehn Jahren schon recht verständig, doch wie würde der zehnjährige Daniel die Sache aufnehmen, und wie konnte sie erreichen, dass er ihr glaubte? Sie musste unbedingt dafür sorgen, dass er nicht auf den Gedanken kam, er könne schuld an der Situation sein.
    Vor allem aber musste sie sich der eigentlichen Aufgabe des Tages zuwenden. Wo nur konnte sie eine zuverlässige Frau finden, der sie die Kinder anvertrauen konnte, und zwar sofort? Das machte ihr große Sorgen, und die Furcht vor einem Fehlschlag ließ sie frösteln.
    Sie musste unbedingt die Reise nach Irland antreten, musste um eine Zukunft kämpfen, in der Pitt es nicht nötig hatte, auf der Suche nach einer geeigneten Arbeit von Ort zu Ort zu ziehen,
immer in der Hoffnung, dass ihn jemand einstellen würde. Das wäre demütigend für ihn. Er hatte auf der Haupt-Polizeiwache in der Bow Street Männer unter sich gehabt, hatte die Macht besessen, von Menschen aller Gesellschaftsschichten zu erwarten, dass sie seine Fragen beantworteten, und hatte hochherrschaftliche Häuser durch den Vordereingang betreten statt durch die Hintertür wie ein Bettler, ein Dienstbote oder ein Lieferant.
    So zitternd, wie sie nun dastand, würde sie nichts erreichen. Also konnte sie sich ebenso gut anziehen, während sie ihre Möglichkeiten erwog. Eine weiße Bluse und ein einfacher brauner Rock dürften das Richtige sein, immerhin standen ihr Haushaltspflichten bevor.
    Als sie nach unten ging, wartete Mrs Waterman bereits in der Diele; ihr Koffer stand an der Haustür. Beinahe hätte Charlotte Mitleid mit ihr empfunden, aber diese Anwandlung ging vorüber. Es gab viel zu viel zu tun, als dass sie hätte weich werden können, selbst wenn Mrs Waterman das gewollt hätte. Das hier war nichts als eine Unannehmlichkeit – die Katastrophen reckten ihr Haupt erst am Horizont.
    »Guten Morgen, Mrs Waterman«, sagte sie höflich. »Ich finde es bedauerlich, dass Sie es für richtig halten, uns zu verlassen, aber so, wie die Dinge liegen, dürfte das die beste Lösung sein. Sicherlich werden Sie verstehen, dass ich mich kurz fasse. Ich muss bis heute Abend Ersatz für Sie finden und hoffe für Sie, dass Sie bald eine passende Anstellung bekommen. Guten Tag.«
    »Das schaff ich bestimmt, Ma’am«, gab Mrs Waterman mit so viel Überzeugung in der Stimme zurück, dass in Charlotte der Verdacht aufkeimte, die Frau habe bereits eine Anstellung in Aussicht. Es kam durchaus vor, dass Hausangestellte, insbesondere Köchinnen, einen Vorwand suchten, um kündigen zu können, damit sie eine Stelle antreten konnten, die ihnen lieber war oder günstiger erschien.

    »Ja, das

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