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Der Verräter von Westminster

Der Verräter von Westminster

Titel: Der Verräter von Westminster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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leichthin und versuchte, Fakten in ihrem Kopf zu ordnen, damit sie erforderlichenfalls eine brauchbare Auskunft geben konnte.
    Er nahm erneut ihren Arm und führte sie durch das Menschengewimmel zu ihrer Loge zurück, ein höflicher, gastfreundlicher Mann mit trockenem Witz, voller Leben. Wie leicht könnte es ihr fallen zu vergessen, dass sie nicht hierhergehörte, und wie gefährlich wäre das – vor allem für sie, denn ihr Mann arbeitete für den Sicherheitsdienst, und McDaids alter Bekannter
Narraway war möglicherweise derjenige, der sich Kate O’Neils bedient hatte, damit sie ihr eigenes Volk verriet und auf diese Weise ihre Familie zugrunde richtete.
     
    Narraway fragte sich, was Charlotte im Theater wohl so alles herausfinden würde. Während er mit gesenktem Kopf in der warmen, feuchten Luft, die vom Wasser aufstieg, am Nordufer des Liffey am Arran-Kai entlangging, begann er zu fürchten, dass sie über ihn so manches in Erfahrung bringen würde, was er ihr lieber vorenthalten hätte, doch sah er keine Möglichkeit, das zu verhindern. Sie würde Cormac O’Neil treffen und zumindest zum Teil das Ausmaß seines Hasses wie auch die Gründe dafür erkennen.
    Er lächelte bitter, als er sich vorstellte, wie sie ihrer Aufgabe nachging, all das herauszubekommen. Ob sie enttäuscht wäre, wenn sie hörte, welche Rolle er bei all dem gespielt hatte? War es reine Eitelkeit, wenn er annahm, sie schätze ihn so sehr, dass sie davon enttäuscht oder gar verletzt sein würde?
    Nie würde er die Tage nach Kates Tod vergessen. Am schlimmsten war der Vormittag gewesen, an dem man Sean gehängt hatte. Die Härte dieser Strafe und der Kummer, den er darüber empfand, hatten einen kalten Schauer auf all die folgenden Jahre gelegt. Warum hatte er sich den Schmerz angetan, Charlotte davon zu berichten? Hatte er befürchtet, sie werde von sich aus etwas darüber in Erfahrung bringen, und es für besser gehalten, den Stoß selbst zu führen, als qualvoll darauf zu warten, dass ein anderer das tat?
    Er hätte es besser wissen können. Die vielen im Sicherheitsdienst verbrachten Jahre hätten ihn sowohl Geduld als auch Selbstbeherrschung lehren müssen. Gewöhnlich legte er diese beiden Tugenden mit einer Perfektion an den Tag, die dafür sorgte, dass man ihn für so kalt wie einen Fisch hielt. Sicherlich
sah ihn Charlotte so. Setzte er möglicherweise so viel aufs Spiel, damit sie merkte, dass es sich in Wirklichkeit anders verhielt?
    Er wollte unter keinen Umständen, dass sie etwas für ihn empfand oder sich um ihn grämte, wenn diese Gefühle auf einer Fehleinschätzung seines Wesens fußten.
    Er lachte über sich selbst, so leise, dass es in seinen raschen Schritten auf den Pflastersteinen beinahe unterging. Wieso legte er eigentlich in seinem Alter so großen Wert auf die Meinung der Frau eines anderen?
    Er zwang sich, auf seinen Weg und auf sein Ziel zu achten. Wenn er nicht dahinterkam, wer das für Mulhare bestimmte Geld fehlgeleitet und zurück auf sein Konto überwiesen hatte, wäre alles, was er über O’Neil erfuhr, bedeutungslos. Irgendjemand in Lisson Grove war an der Sache beteiligt. Den Iren machte er in diesem Zusammenhang keine Vorwürfe. Sie kämpften für ihr Land und ihre Freiheit, und bisweilen waren sie ihm deswegen sogar sympathisch. Aber der Mann im Sicherheitsdienst, der dahintersteckte, war zum Verräter an der eigenen Sache geworden, und das war etwas gänzlich anderes. Er wollte wissen und vor allem beweisen, wer das war. Der Schaden, den ein solcher Mensch anrichten konnte, war grenzenlos. Wenn er England so sehr hasste, dass er eine Möglichkeit gefunden hatte, dafür zu sorgen, dass Narraway bei der Regierung in Ungnade fiel, was konnte er da noch alles anrichten? War es sein eigentliches Ziel, an Narraways Stelle zu treten? Möglicherweise war die ganze Geschichte mit Mulhare nichts anderes als ein Mittel zu diesem Zweck. Aber ging es dabei wirklich um nichts als persönlichen Ehrgeiz, oder stand dahinter noch ein anderer, finstererer Zweck?
    Tief in Gedanken, wäre er an der Gasse, die er suchte, beinahe vorübergegangen. Er bog in sie ein und musste sich auf den unebenen Steinen seinen Weg förmlich ertasten, so dunkel
war es dort. Die dritte Tür. Er klopfte in einem bestimmten schnellen Rhythmus an.
    Charlotte hatte er mit nach Dublin genommen, weil das seinem Wunsch entsprach, aber sie hatte ihre eigenen Gründe dafür, hier zu sein. Sofern er mit seiner Vermutung bezüglich des Verräters

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