Der Verräter von Westminster
die dort üblichen Preise nur allzu gut vorstellen, und so war ihr klar, dass sie ihr Budget bei weitem überstiegen. Warum nur hatte er sie ausgerechnet dorthin gebracht? Ihm musste doch bekannt sein, was Pitt verdiente!
Er hielt ihr die Ladentür auf, doch statt einzutreten, sagte sie: »Könnten wir bitte ein etwas weniger teures Geschäft aufsuchen? Ich denke, dass die hier geforderten Preise meine Möglichkeiten übersteigen, vor allem, wenn man bedenkt, dass ich etwas kaufen möchte, was ich möglicherweise nicht oft tragen werde.«
Er sah sie überrascht an.
»Vermutlich hast du ja noch nie eine Bluse gekauft«, sagte sie mit leichter Schärfe in der Stimme, weil sie sich gedemütigt fühlte. »Die können ziemlich teuer sein.«
»Ich hatte nicht die Absicht, dich dafür bezahlen zu lassen«, sagte er. »Da der Kauf im Zusammenhang mit meinen Erkundigungen steht, muss ich auch dafür aufkommen.«
»An diesen Erkundigungen bin ich in gleicher Weise wie du interessiert«, gab sie zu bedenken.
»Können wir das drinnen besprechen?«, fragte er. »So, wie wir hier am Eingang stehen, lenken wir nur die Aufmerksamkeit der Leute auf uns.«
Sie ging rasch hinein, über ihn wie auch sich selbst gleichermaßen verärgert. Sie hätte die Situation voraussehen und vermeiden sollen.
Eine ältere Verkäuferin kam auf sie zu. Sie trug ein unglaublich gut geschnittenes schwarzes Kleid ohne jede Verzierung. Es war so elegant, dass es keine bessere Werbung für das Geschäft hätte geben können. Liebend gern hätte Charlotte ein Kleid gehabt, das so erstklassig saß. Sie hatte nach wie vor eine sehr gute Figur, und ihr war klar, dass sie diese damit in äußerst vorteilhafter Weise zur Geltung bringen würde.
»Wir würden uns gern einige festliche Blusen ansehen«, erklärte Narraway. »Sie sollten für den Besuch einer Kunstausstellung oder einer Nachmittags-Teegesellschaft geeignet sein.«
»Gewiss, mein Herr«, sagte die Verkäuferin. Sie sah Charlotte nicht einmal eine Minute lang an, um zu überlegen, was ihr passen und stehen könnte, dann warf sie einen kurzen Blick auf Narraway, möglicherweise, um seine Finanzkraft einzuschätzen. Bei dem Gedanken an seinen eleganten und zweifellos teuren Anzug wurde Charlotte ganz flau im Magen. Zweifellos war die Frau zu dem naheliegenden Schluss gekommen, dass sie es mit einen Ehepaar zu tun hatte. Mit wem außer ihrem Gatten würde eine achtbare Frau ein so intimes Kleidungsstück wie eine Bluse kaufen gehen? Sie hätte darauf bestehen sollen, dass er sie zu einem anderen Geschäft brachte und draußen wartete. Allerdings hätte sie sich dann das Geld von ihm leihen müssen.
»Victor, das ist unmöglich«, flüsterte sie, kaum dass die Verkäuferin außer Hörweite war.
»Ach was, nicht im Geringsten«, widersprach er. »Es ist nötig. Möchtest du etwa, dass sich die Leute das Maul zerreißen, weil du ständig mit denselben Sachen aufkreuzt? So etwas erregt Aufsehen, das weißt du besser als ich. Dann wird man sich fragen, wie unsere Beziehung aussehen mag und warum ich mich nicht besser um dich kümmere.«
Sie versuchte sich ein schlagendes Gegenargument zu überlegen, doch ihr fiel keines ein.
»Oder willst du etwa den Kampf ganz aufgeben?«, fragte er.
»Natürlich nicht!«, gab sie zurück. »Aber …«
»Dann sei bitte still und lass die Sache auf sich beruhen.« Er schob sie ein wenig weiter in den Laden. Wenn sie sich dagegen gewehrt hätte, wäre der Druck seiner Finger auf ihrem Arm schmerzhaft gewesen. Sie beschloss, ihn später zur Rede zu stellen und ihm klipp und klar zu sagen, was sie von der ganzen Sache hielt.
Die Verkäuferin kehrte mit mehreren Blusen zurück, eine schöner als die andere.
»Wenn die Dame sie anprobieren möchte – dort finden Sie einen dafür vorgesehenen Raum.«
Charlotte dankte ihr und folgte ihr auf dem Fuß. Zwar waren alle Blusen hinreißend, aber am schönsten fand sie eine mit schwarzen und bronzefarbenen Streifen, die ihr so gut passte, als sei sie eigens für sie entworfen und zugeschnitten worden, sowie eine weiße Baumwollbluse mit Spitzenbesatz, Rüschen und Perlmuttknöpfen, die ungeheuer weiblich wirkte. Nicht einmal als junges Mädchen hatte sie sich zu der Zeit, als ihre Mutter versucht hatte, sie mit einem passenden Mann zu verheiraten, so attraktiv gefühlt, beinahe geradezu schön.
Die Versuchung, beide zu kaufen, war zu groß.
Die Verkäuferin kehrte zurück, um zu sehen, ob sich die Kundin
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