Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Verräter von Westminster

Der Verräter von Westminster

Titel: Der Verräter von Westminster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
Vom Netzwerk:
sollte.
    »Tut mir leid«, sagte McIver betrübt, »aber Frobisher ist ein Maulheld und Schaumschläger. Etwas anderes kann ich nicht über ihn sagen. Es wäre töricht, ihm in wichtigen Dingen zu vertrauen. Und ich kann mir kaum vorstellen, dass Sie den weiten Weg wegen irgendwelcher Kinkerlitzchen gemacht haben. Ich bin nicht mehr der Jüngste und komme nicht mehr oft in die Stadt, aber falls ich etwas für Sie tun kann, brauchen Sie es nur zu sagen.«
    Pitt zwang sich zu einem Lächeln. »Vielen Dank, aber es müsste schon jemand sein, der in Saint Malo wohnt. Auf jeden Fall bin ich Ihnen dankbar, dass Sie mich vor einem schlimmen Fehler bewahrt haben.«
    »Nichts zu danken«, tat McIver das mit einer Handbewegung ab. »Nehmen Sie doch noch etwas Käse. Niemand macht so guten Käse wie die Franzosen – wenn man einmal von einem guten Wensleydale oder einem Caerphilly absieht, wie man sie in England bekommt.«
    Pitt lächelte. »Mir ist ein vollfetter Gloucester am liebsten. «

    »Ach ja«, stimmte McIver zu. »Hab ich ganz vergessen. Nun, sagen wir, die Käse-Partie zwischen England und Frankreich steht unentschieden. Aber gegen einen guten französischen Wein kommt nichts an.«
    »Da haben Sie Recht«, gab Pitt zu.
    McIver goss beiden noch einmal nach und lehnte sich wieder auf seinem Stuhl zurück. »Was sind die letzten Cricket-Ergebnisse? Ich höre hier so gut wie nie etwas darüber, und wenn, dann nur mit großer Verspätung. Wie steht Somerset zur Zeit da?«
     
    Kurz vor Sonnenuntergang kehrte Pitt auf der leicht gewundenen Straße zurück. In der Luft hing ein blasser Goldschimmer von der Art, der die Gemälde alter Meister so unwirklich erscheinen lässt, dass sie aussehen wie erdachte Landschaften. Von Scheunen und Stallungen umgebene behäbige Bauernhäuser lagen am Weg. Die Bäume standen um diese frühe Jahreszeit noch nicht in vollem Laub, aber in den dicht an dicht sitzenden Blüten, die wie später Schnee wirkten, spiegelte sich der Schein der schwindenden Sonne. Es war windstill, man hörte keinen Laut, und nichts regte sich, wenn man davon absah, dass hin und wieder eine grasende Kuh den Kopf hob.
    Im Osten kündigte sich die bevorstehende Dunkelheit lediglich durch ein leichtes Verblassen des Himmels hinter den über ihn hinwegziehenden Wolken an.
    Sorgfältig ging Pitt in Gedanken alles durch, was sie wussten, versuchte einzuordnen, was er selbst gesehen oder gehört hatte, und verglich es mit allem, was Gower berichtet hatte.
    Nichts davon ergab einen Sinn, also musste etwas fehlen – oder hatten sie etwas falsch bewertet?
    Als ein Fuhrwerk vorüberkam, dessen Räder Staubwolken aufwirbelten, stieg Pitt der angenehme Geruch von Pferdeschweiß und frisch gepflügter Erde in die Nase. Der Fuhrmann
sagte etwas auf Französisch, und Pitt antwortete, so gut er konnte, auf das, wovon er vermutete, dass es ein Gruß war.
    Inzwischen sank die Sonne rascher, und die Farben des Himmels wurden lebhafter. Eine leichte Brise strich durch das Gras und das frische Laub der Weiden, die stets als erste Bäume den Frühling verkündeten. Mit rauschendem Flügelschlag stieg ein Vogelschwarm von einer rund hundert Schritt entfernten Baumgruppe auf, flog eine Runde und verschwand gleich darauf am Himmel.
    Nach dem, was Pitt und Gower gesehen hatten, waren sie der Ansicht gewesen, es lohne sich, Frobishers Haus im Auge zu behalten. Falls sie Wrexham jetzt festnahmen, wäre das für alle Beteiligten ein unübersehbarer Hinweis darauf, dass der Sicherheitsdienst ihre Pläne kannte, und sie würden sie umgehend ändern.
    Sie hätten den Mann gleich in London festnehmen sollen. Zwar hätte er ihnen nichts gesagt, aber sie hatten auch so nichts in Erfahrung gebracht, sondern lediglich kostbare Zeit vergeudet.
    Wie hatte er das nur zulassen können? West hatte ihnen wichtige Informationen versprochen und das Treffen mit ihnen vereinbart. Pitt sah den Brief noch vor sich, die in fehlerhafter Rechtschreibung und vielleicht vor Angst schief und eilig hingekritzelten Wörter, die Tintenkleckse auf dem Papier.
    Niemand außer Gower und ihm hatte davon gewusst. Auf welche Weise also hatte Wrexham davon erfahren? Wer hatte West verraten? Es konnte nur einer von denen gewesen sein, die an der Planung dessen beteiligt waren, was ihnen der arme West hatte enthüllen wollen.
    Wieso hatte West Fersengeld gegeben, als sich Pitt und Gower dem vereinbarten Treffpunkt genähert hatten? Sie hatten
sich sofort an seine Verfolgung

Weitere Kostenlose Bücher