Der Verrat
des Terminals erreichbar war. Jeder von uns hatte einen Schlüssel für den Van für den Fall, dass irgendwas schief lief und es nur einer von uns zurück zum Wagen schaffte. Wir gingen unsere Pläne noch ein letztes Mal durch, dann trennten wir uns, und jeder bezog seinen Posten. Dox befand sich rund dreißig Meter südlich vom Tor, in ungefähr hundertfünfzig Meter Entfernung und vielleicht siebzig Meter Höhe. Ich war dreißig Meter nördlich und sehr viel näher an der Straße. Dox würde die Distanzarbeit erledigen; ich war dafür zuständig, das Ziel zu identifizieren und möglichst nah ranzukommen. Ich lag in einem betonierten Abflusskanal, der mir Dox gegenüber Deckung bot, falls ich mich in ihm getäuscht hatte. Aber es war noch immer gefährlich. Es gab Scharfschützen, die durchaus in der Lage waren, sich völlig lautlos in eine andere Position zu schleichen.
Kurz nach zwei Uhr sah ich eine dunkle Limousine die Cheung Li Road herunterkommen. Ich hob das Fernglas und spähte hindurch. Der Wagen war ein Lexus LS 430. Zwei Weiße auf den Vordersitzen. Die Rückbank sah leer aus, aber das Wageninnere war so dunkel, dass ich mir nicht ganz sicher war.
Ich hatte schon fast damit gerechnet, dass Delilah mit im Auto saß, obwohl ich andererseits wusste, dass die Wahrscheinlichkeit gering war. Vielleicht wusste sie nicht mal von diesem nächtlichen Treffen. Und wenn ich das richtig sah, war ihre Rolle so ausgerichtet, dass Belghazi Wert darauf legen würde, sie aus seinen geschäftlichen Transaktionen herauszuhalten. Und vor allem wusste ich, dass man eine so hochspezialisierte und kostbare Agentin nicht dem Risiko aussetzen würde, sich in eine Situation zu begeben, die sich für einen Anschlag geradezu anbot.
»Ist er das?« Ich hörte Dox’ Stimme klar und deutlich im Ohrhörer.
»Bin mir noch nicht sicher«, sagte ich. »Zu viele Reflexe von den Straßenlampen auf den Scheiben, zu wenig Licht im Auto. Warte noch.«
Der Wagen passierte meine Position. Der Rücksitz auf der Fahrerseite war leer. Die Beifahrerseite konnte ich nicht deutlich sehen.
»Noch immer keine sichere Identifizierung«, sagte ich. »Warte noch.«
Der Wagen bog auf den Wendeplatz vor dem Einfahrtstor, beschrieb einen Bogen, so dass er wieder Richtung Straße zeigte, und setzte dann bis auf wenige Meter vor dem Tor zurück. Der Motor wurde abgestellt. Ich spähte durch das Fernglas, überlegte, was da los war, versuchte zu verstehen, warum sie nicht reinfuhren.
Die Vordertüren öffneten sich und zwei Männer stiegen aus. Sie sahen irgendwie slawisch aus: breite Wangenknochen, weizenblondes, kurz geschnittenes Haar, helle Haut, die ungesund in dem Licht schimmerte, das aus dem Containerterminal hinter ihnen drang. Sie schienen sich nicht sonderlich wohl zu fühlen in ihren schlecht sitzenden dunklen Anzügen, und beide trugen eine leuchtend rote Krawatte. Vielleicht ehemalige Militärs, Männer, die nicht daran gewöhnt waren, etwas anderes als Kampfanzüge zu tragen, und die ihre Krawatten in einer Art Überreaktion auf ihr früheres, ausschließlich in Tarnfarbe verbrachtes Leben ausgesucht hatten. Ich kam zu dem Schluss, dass sie wahrscheinlich Russen waren. Nachdem sie den Wagen verlassen hatten, schauten sie sich um, und es sah für mich so aus, als würden sie sich orientieren. Sie waren ganz sicher nicht mit den Örtlichkeiten vertraut.
»Sieht aus, als fände da ein Drogendeal statt«, hörte ich Dox sagen, und er hatte Recht, das Ganze wirkte tatsächlich irgendwie illegal. Ich hatte gedacht, sie würden in den Containerhafen fahren, aber offenbar würde die Party vor dem Tor stattfinden. Was nicht unbedingt schlecht war.
»Ich glaube, die machen die Übergabe hier«, sagte ich. »Mal abwarten, ob unser Freund auch auftaucht. Falls das Tor geschlossen bleibt, lass ich ihn meine Position passieren. Wenn er aus dem Wagen aussteigt wie die Burschen da, hast du ein unbewegliches Ziel und kannst sicherer schießen. Hast du die Frangible-Munition geladen?«
»Ja. Aber die panzerbrechende Munition hab ich parat.«
»Gut. Halt dich bereit.«
»Verstanden.«
Fünf Minuten später kamen zwei weitere Fahrzeuge die Zufahrtstraße herunter: ein weißer Van, gefolgt von einem schwarzen Mercedes S-Klasse. Ich blickte zu den Erstankömmlingen hinüber. Die Russen unterhielten sich und rauchten eine Zigarette. Das Tor war noch immer geschlossen.
»Zwei weitere Fahrzeuge nähern sich«, sagte ich.
»Verstanden.«
Vorne in dem Van
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