Der Verrat
herausgerollt. Der Fahrer dirigierte die Kästen in den Laderaum des Vans, setzte sie ab, rollte mit dem Gabelstapler zurück und stieg vom Fahrersitz. Belghazi und einer der Russen kletterten in den Van.
»Ich glaube, die inspizieren jetzt den Inhalt der Kästen«, sagte ich. »Ich kann nicht in den Van hineinsehen. Dürfte aber nicht mehr lange dauern.«
»Verstanden.«
Eine Minute später kamen Belghazi und der Russe wieder heraus. Beide lächelten. Belghazi griff in sein Jackett und überreichte dem Gabelstaplerfahrer einen dicken Umschlag. Der Mann verbeugte sich, stieg wieder auf sein Gefährt und fuhr zurück durch das Tor, das sich hinter ihm schloss.
Einer der Russen hob die Reisetasche auf und zog den Reißverschluss zu. Er hängte sie sich über die Schulter, dann gab er Belghazi die Hand. Alle wirkten entspannt: Das Geschäft war abgeschlossen, Geld gegen Ware übergeben, keine unangenehmen Überraschungen.
Alle waren entspannt, nur nicht Belghazis Fahrer, der Bodyguard, der die Reisetasche aus dem Mercedes geholt hatte. Er trat unruhig hin und her und blickte von einem zum anderen. Obwohl die Nacht kühl war, sah ich durch das Zeiss-Fernglas Schweißperlen auf seiner Stirn.
Niemand schien ihn zu bemerken. Sie hatten alle so viele Bedenken gehabt – Verrat, Polizei, Probleme mit der Ware, Probleme mit der Zahlung –, und alle hatten sich als unbegründet erwiesen. Es war ganz natürlich, dass sie nicht mehr ganz so auf der Hut waren, und wenn auch nur für einen Moment.
Belghazi spürte es als Erster. Er blickte zu seinem Bodyguard hinüber, und seine Stirn legte sich in Falten. Er sagte etwas. Da ich meinen Ohrhörer auf Dox’ Kanal gestellt hatte, konnte ich nicht verstehen, was. Innerhalb einer Sekunde oder noch weniger schien sich eine elektrisierte Spannung aufzubauen.
Ich sah Belghazi an, dass er reagieren wollte, sein Körperschwerpunkt verlagerte sich tief, seine Beine beugten sich. Seine Instinkte waren vorzüglich, vielleicht dieses eine Mal ein klein wenig stumpfer, weil einer seiner Bodyguards das Problem war und er aus dieser Richtung keine Gefahr erwartet hatte.
Auch Hilger sah zu dem Bodyguard hinüber. Und da er zwar selbst auch hellwache Instinkte besaß, aber eben nicht die persönliche Beziehung zu dem Mann hatte, durch die Belghazis Reaktion ein wenig verlangsamt worden war, fuhr seine Hand hoch, um unter sein Jackett zu greifen.
Aber zu spät. Der Bodyguard hatte seine Bewegung eine Sekunde früher begonnen. Als Hilgers Hand unter dem Jackett verschwand, hatte der Bodyguard schon hinten aus dem Hosenbund eine Pistole gezogen. Er richtete sie auf Hilger und sagte etwas.
Alle erstarrten. Hilger nahm langsam die Hand aus dem Jackett. Sie war leer.
Belghazi starrte den Bodyguard fassungslos an. Er rief etwas.
»Ach du Scheiße«, sagte ich zu Dox. »Der Bodyguard bedroht Belghazi mit der Pistole.«
»Was?«
»Ich glaube, das Szenario, das wir simulieren wollten, wird gerade Wirklichkeit.«
»Das gibt’s doch nicht.«
»Ich will mithören, was die sagen. Aber wenn du Belghazi ins Visier kriegst, erledige ihn. Wir warten nicht länger.«
»Verstanden.«
Ich wechselte den Kanal. Belghazi schrie den Bodyguard auf Arabisch an, und es klang so, als beschimpfe er ihn. Der Bodyguard brüllte irgendwas zurück, gestikulierte mit der Waffe, zielte damit von einem zum anderen. Alle anderen schienen wie erstarrt.
»Achille, erklären Sie mir bitte, was er sagt«, verlangte Hilger von Belghazi, und er sprach langsam und ruhig. »Ich verstehe kein Arabisch.«
»Ja, was zum Teufel ist hier los?«, brüllte einer der Russen.
»Nehmt eure Waffen raus!«, schrie der Bodyguard. »Langsam! Legt sie auf die Erde! Langsam, langsam, sonst schieße ich!«
Belghazi ließ den Mann nicht aus den Augen. Er hatte die Zähne gebleckt, und sein ganzer Körper war angespannt, wie bei einem Panther kurz vor dem Sprung. Nur die Waffe schien ihn daran zu hindern.
»Er sagt, dass er die Ware haben will«, sagte er. Dann stieß er einen weiteren wüsten arabischen Wortschwall aus.
»Waffen auf den Boden!«, schrie der Bodyguard. »Ich sage es zum letzten Mal!«
Die Männer taten wie geheißen. Jeder von ihnen zog eine Pistole aus Schulterhalfter oder Hosenbund und legte sie behutsam auf die Erde.
»Und jetzt Hände hoch! Hände hoch!«, schrie der Bodyguard. Alle gehorchten.
»Schiebt die Waffen mit dem Fuß rüber. Los, los!« Wieder befolgten alle seinen Befehl.
Der Bodyguard wandte den
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