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Der Verrat

Der Verrat

Titel: Der Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Eisler
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konnten. »Ehrlich, Mann, ich hab echt keine Ahnung!«
    Seine Atmung wurde immer angestrengter, vor Schmerz wie vor Erschöpfung. Ich sah ihm in die Augen.
    »He, Dox«, sagte ich leise, fast im Flüsterton. »Ich zähle jetzt bis drei. Wenn du mir bis dahin nicht gesagt hast, was du weißt, verdreh ich deinen Fuß, so fest ich kann. Fertig? Eins, zwei, dr–«
    »Die Frau! Die Frau! Sie haben sie bezahlt oder so. Genaueres weiß ich nicht.«
    Um ein Haar hätte ich es trotzdem getan.
    »Welche Frau?«
    »Du weißt schon. Diese brasilianische Tussi. Naomi Soundso.«
    Ich war nicht so überrascht, wie ich gedacht hätte. Ich würde darüber nachdenken müssen. Später.
    »Wer ist dein Kontaktmann?«
    »Mann, verdammt, ich sag dir ja alles, was du wissen willst. Du musst mir nicht … Scheiße! Kanezaki! So ein japanischer Typ, um die Dreißig, Nickelbrille, sagt, er kennt dich.«
    Kanezaki. Ich hätte es mir denken können. Ich hatte ihn damals am Leben gelassen, als ich merkte, dass er mich beschattete. Und jetzt überlegte ich kurz, ob das vielleicht ein Fehler gewesen war.
    Ich sah, dass uns einige Leute beobachteten, unter anderem auch Carlinhos, der Gründer der Schule und Haupttrainer. Keiner machte Anstalten sich einzumischen, weil sie wohl in typisch brasilianischer Manier fanden, dass das eine Sache von Mann zu Mann war und sie nichts anging. Dennoch, ich wollte nicht noch mehr Aufmerksamkeit auf mich ziehen. Ich ließ sein Bein los und rollte mich weg.
    Die Spannung wich aus seinem Körper, er ließ sich auf den Rücken plumpsen und legte die Hände um sein schmerzendes Knie. »Mensch, was sollte das denn«, sagte er. »Das war total überflüssig, Mann.«
    Ich antwortete nicht.
    »Und wenn ich wirklich nichts gewusst hätte? Was dann?«
    Ich zuckte die Achseln. »Operation der gerissenen vorderen und hinteren Kreuzbänder und Menisken, dann vielleicht eine sechs- bis zwölfmonatige Reha. Jede Menge Schmerztabletten, die längst nicht so gut wirken, wie du es dir gewünscht hättest.«
    »Scheiße«, knurrte er. Eine gute Minute verstrich. Dann setzte er sich auf und sah mich an. Er beugte das Bein und setzte sein nimmermüdes Grinsen auf.
    »Ich hätte dich fast gehabt, Mann. Und das weißt du auch.«
    »Klar«, sagte ich und sah ihn an. »Fast.« Ich stand auf. »Wo hast du Sambo gelernt?«
    Sein Grinsen wurde breiter. »Seit der Eiserne Vorhang aufgegangen ist, hab ich öfter mit den Russkis gearbeitet.«
    »Nach dem ganzen Mist, den du ihnen in Afghanistan zugemutet hast, haben die dich noch reingelassen?«
    Er zuckte die Achseln. »Die Welt hat sich völlig verändert, und es gibt mittlerweile ganz andere Feinde. Ich helfe ihnen jetzt bei ihrem Tschetschenien-Problem, und wir sind die besten Kumpel.«
    Ich nickte. »Lass uns irgendwohin gehen, wo wir reden können.«
    Wir nahmen unsere Sporttaschen und gingen, ohne uns umziehen. Ich hatte noch immer den Mikro- und Senderdetektor, den Harry mal für mich gebaut hatte. Er lag lautlos in meiner Tasche, frisch aufgeladen wie jeden Tag, und ich wusste, dass weder Dox noch seine Tasche verwanzt waren. Aber das bedeutete nicht, dass er allein war.
    Ich führte ihn umständlich durch etliche stille Sträßchen in der Gegend. Zweimal nahmen wir ein Taxi. Ich beschränkte mich auf allgemeine Gegenaufklärungstechniken und nutzte die Örtlichkeiten nicht besser aus, weil er nicht mitbekommen sollte, wie gut ich mich in der Gegend auskannte. Das könnte ihn auf den Trichter bringen, dass ich hier wohnte. Er wusste, was ich tat, und erhob keine Einwände.
    Als wir schließlich den Strand bei São Conrado erreichten, wusste ich, dass er sauber war. Der Regen hatte aufgehört, und wir schlenderten hinunter ans Wasser. Die Flut wich zurück und gab nassen Sand frei, wie eine besiegte Armee Terrain aufgibt, das sie nicht mehr halten kann.
    Eine Minute verging. Keiner von uns sagte etwas.
    In der Nähe war ein Fußballspiel im Gange, und der Ball rollte auf uns zu. Dox hob ihn auf und warf ihn einem braunhäutigen Jungen zu, der hinterhergerannt kam. Der Junge bedankte sich mit einem Winken und lief zurück zu den anderen. Ich sah ihm einen Moment nach und fragte mich, wie es wohl war, so aufzuwachsen, in einer Stadt am Meer, und nichts Schlimmeres zu tun als im Sand Fußball zu spielen.
    »Sind wir jetzt durch mit dem Spionagekram?«, fragte Dox.
    Ich nickte, und nach einem Moment sprach er weiter.
    »Du hast es schön hier«, sagte er. »Gutes Wetter, der Ozean … Und

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