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Der Verrat

Der Verrat

Titel: Der Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Eisler
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Gabardinehose an, einen edlen Baumwollrolli in derselben Farbe, ein Paar dunkelbraune Wildlederschnürschuhe mit abgeflachter Spitze und einen passenden Gürtel. Dann nahm ich mir eine halbe Stunde Zeit, mich mit der gesamten Anlage des Hotels neu vertraut zu machen – wo lagen die Treppenhäuser und welche waren ohne Personalschlüssel begehbar, wo waren überall Überwachungskameras installiert, wie verhielten sich die Security-Leute. Als ich entschieden hatte, wie ich Delilah treffen konnte, ohne meine Sicherheit zu gefährden, ging ich nach draußen.
    Ich suchte mir ein Internetcafé. Im Bulletin Board war eine Nachricht von Kanezaki. Sechs Männer, auf die die Beschreibung zutraf, die ich ihm gegeben hatte, waren zwei Tage zuvor von Riad nach Hongkong abgereist. Außerdem war die saudische Botschaft an den Ermittlungen der jüngsten Todesfälle in Hongkong und Macau beteiligt. Und Delilah hatte erwähnt, dass der Mann, den sie in der Lobby hatte reden hören, einen saudischen Akzent hatte. Anscheinend hatte sie die Wahrheit gesagt, zumindest in diesem Punkt. Meine ehemaligen Freunde waren wohl tatsächlich Saudis gewesen. Unter den gegebenen Umständen schien eine Verbindung zu dem Arabisch sprechenden Halbalgerier Belghazi naheliegend. Ich wusste nur nicht, warum. Oder wie.
    Die Nachricht endete mit: »Telefonnummern und die Frau werden noch immer überprüft. Bis jetzt nichts. Melde mich.«
    Ich schrieb: »Die Verbindung der Saudis zu unserem Freund verfolgen. Luftverkehr Riad-Hongkong überwachen, ob ähnliche Teams unterwegs sind.« Unwahrscheinlich, dass sie so schnell eine neue Truppe zusammenstellen konnten, aber es konnte ja nicht schaden, für alle Eventualitäten gewappnet zu sein.
    Ich stellte die Nachricht ins Board, meldete mich ab und ging.
    Ich dachte über Delilah nach. Europäerin, hatte ich gedacht, obwohl ich den leichten Akzent nicht einordnen konnte. Ich hatte erst mal vage vermutet, dass sie Französin war. Zum Teil aufgrund ihres Aussehens, ihrer Kleidung, ihres Auftretens. Zum Teil wegen ihrer Verbindung zu Belghazi, der sich angeblich in Paris aufhielt, wenn er nicht unterwegs war. Selbst ihr Arabisch könnte dazu passen: Frankreich hat einen großen algerischen Bevölkerungsanteil, und die beiden Länder haben eine lange und traurige gemeinsame Geschichte. Die französischen Geheimdienste, der inländische und der internationale, boten mit Sicherheit großzügig finanzierte Arabischkurse an. Delilah könnte so einen absolviert haben.
    Aber es gab natürlich noch eine andere Möglichkeit, eine, die ich für immer wahrscheinlicher hielt. Ich beschloss, Delilah auf die Probe zu stellen.
    In einem Telefonladen kaufte ich ein Prepaid-Handy. Ich steckte es erst mal ein und rief Delilah von einer Telefonzelle aus an.
    »Das Peninsula«, sagte ich. »Zimmer fünfhundertvierundvierzig.« Ich war nicht gewillt, ihr die richtige Zimmernummer oder auch nur die richtige Etage zu nennen. Schließlich hatte sie reichlich Gründe, mich aus dem Weg haben zu wollen. Wir würden schön behutsam vorgehen.
    »Dreißig Minuten«, sagte sie und legte auf.
    In der Nähe der Telefonzelle war ein Spirituosengeschäft. Ich ging spontan hinein. Sie hatten eine Flasche dreißig Jahre alten Laphroaig für zweitausendfünfhundert Hongkong-Dollar – rund dreihundert US-Dollar. Der reinste Wucher. Aber egal. Ich ging noch kurz in einen HMV-Musikladen und kaufte ein paar CDs. Lynne Arriale, Live at Montreux. Eva Cassidy, Live at Blues Alley. Bill Evans Trio, Sunday at the Village Vanguard. Das Zweitbeste, wenn man nicht selbst im Vanguard sein konnte.
    Wieder zurück in meinem Zimmer im Peninsula holte ich zwei Kristallgläser und einen Eisbehälter aus der Minibar und stellte sie zusammen mit dem Laphroaig und einer Flasche Mineralwasser auf den Couchtisch. Ich schob die CDs in die Anlage, mit der das Zimmer ausgestattet war, und drückte »Random« und »Repeat«. Sogleich ertönte die Musik aus den Lautsprechern rechts und links vom Fernseher. Ich blieb einen Augenblick stehen und lauschte Eva Cassidy, die »Autumn Leaves« sang, und der viel zu frühe Tod der Sängerin ließ Text und Melodie noch eindringlicher klingen. Die melancholischen Klänge des Songs schienen meine Gefühle für Delilah irgendwie zu erhellen und zu untermalen – zum einen war da eine gewisse Vorfreude, sie wiederzusehen, zum anderen die todernste Frage, welche Rolle sie bei den Ereignissen spielte, mit denen ich im Laufe des Tages in

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