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Der Verrat

Der Verrat

Titel: Der Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Eisler
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wirken. Sie wusste das, und sie wollte mir zeigen, dass sie es wusste.
    »Warum sollte ich?«, sagte ich und spürte, wie mein Herz schon allein bei der Vorstellung ein wenig ins Flattern geriet. »Wir vertrauen uns doch gegenseitig, oder?«
    Sie ließ die Arme sinken und lächelte noch einen kleinen Moment länger, vielleicht um zu signalisieren, dass meine Reaktion auf ihren Vorschlag unter den gegebenen Umständen recht passabel war.
    »Soll ich meine Schuhe ausziehen?«
    »Warum?«, fragte ich und musste an diesen Idioten mit dem Sprengstoff in den Schuhen denken, der versucht hatte, ein in Paris gestartetes Flugzeug abstürzen zu lassen.
    Sie zuckte die Achseln. »Das ist doch in Japan Sitte, oder?«
    Allerliebst. Der Versuch, ein biographisches Detail zu bestätigen, die Wahrscheinlichkeit abzuchecken, dass ich der Mann war, über den ihre Leute etwas im Forbes gelesen hatten. Da musste sie sich schon etwas Besseres einfallen lassen.
    »Ich glaube, die machen das eher in Privathäusern, weniger in Hotels«, sagte sich. »Aber ganz, wie Sie wollen.«
    Sie bückte sich, hob das rechte Bein und streifte den Riemen ab, der um ihre Fessel lag. Sie musste sich nicht an der Wand oder sonst wo abstützen, um dieses Manöver zu bewerkstelligen. Ihr Gleichgewichtssinn war gut. Aber das hatte ich ja schon in Belghazis Suite festgestellt, als sie mich mit ihrem Ellbogenschlag beinahe außer Gefecht gesetzt hätte.
    Sie wiederholte die Prozedur mit dem anderen Schuh. In dem Dämmerlicht an der Tür bot sich mir kurz ein verführerischer Blick auf Haut und Rundungen, als das Vorderteil des Kleides sich einen Moment von ihrem Körper löste. Natürlich war das kein Zufall, aber die Aussicht war hinreißend, keine Frage.
    Ich zog mir ebenfalls die Schuhe aus und folgte ihr ins Zimmer. Ich hatte die Lampen gedimmt, damit sie sich nicht in der Fensterfront spiegelten und den Blick auf den Hafen und die Lichter der Skyline von Hongkong verfinsterten, aber ich sah, dass sie trotzdem erst das Zimmer genau unter die Lupe nahm, ehe sie das Panorama bewunderte. Ich musste unwillkürlich lächeln. Eine Zivilistin hätte keine Sekunde gezögert, sich an dem spektakulären Ausblick zu ergötzen.
    Sie sah zum Couchtisch hinüber. »Laphroaig?«, fragte sie.
    »Der dreißig Jahre alte«, sagte ich und nickte. »Kennen Sie den?«
    Sie nickte ebenfalls. »Den mag ich am liebsten. Sogar noch lieber als den Vierzigjährigen. Dieses Sherry-Finish – einfach göttlich.«
    Nicht schlecht, dachte ich. Ich fragte mich, auf welchen Gebieten sie sonst noch bewandert war. Wenn es um Sprachen, Kleidung, Spionage ging, war sie offensichtlich Expertin. Und jetzt auch noch Whiskey. Gutes Essen? Wein? Literatur? Tantrische Sexualtechniken? Über Letzteres versuchte ich keine ausführlichen Spekulationen anzustellen.
    »Möchten Sie ein Glas?«
    »Liebend gern. Nur ein Tropfen Wasser, bitte.«
    Ich goss uns beiden einen anständigen Schluck in die Kristallgläser und gab für sie wunschgemäß einen kleinen Schuss Wasser hinzu. Ich reichte ihr das Glas, hob meines, lächelte ihr zu und sagte: »Le Chaim. «
    Sie stockte, sah mich an. »Wie bitte?«
    Ich schmunzelte arglos. »›Auf das Leben‹, richtig? Das ist doch in Israel Sitte, oder?«
    Eine Sekunde lang meinte ich, Zorn in ihren Augen zu sehen, dann lächelte sie. »Kampai« ,sage sie, und wir lachten beide.
    Es war eine wohltuende Erleichterung. Aber das kurze Zögern und ihre anschließende kaum merkliche Reaktion waren aufschlussreich.
    Wir setzten uns. Delilah nahm die Couch, so dass sie mit dem Rücken zur Wand saß und das Fenster rechts von sich hatte. Ich nahm den Sessel neben der Couch. Hinter mir war das Fenster, daher konnte ich die Aussicht nicht genießen. Aber ich sah ohnehin lieber sie an.
    Einen Moment lang tranken wir schweigend. Sie hatte Recht – der dreißig Jahre alte Single Malt, der in Sherry-Fässern seine letzte Reife bekommt, verschmilzt würzige Seetangnoten mit der Süße von Sherry und bietet ein Aroma und eine Geschmacksfülle, wie sie selbst von den anderen hervorragenden Laphroaig-Abfüllungen nicht erreicht wird.
    Nach einigen Minuten fragte sie: »Was wissen Sie alles über mich?«
    »Nicht viel. Das meiste ist Spekulation. Wahrscheinlich ungefähr so viel, wie Sie über mich wissen.«
    »Sie denken, ich bin Israelin?«
    »Sind Sie das etwa nicht?«
    Sie lächelte. Ihr Lächeln sagte: Komm schon, das kannst du aber besser.
    Ich zuckte die Achseln. »Ja, Sie haben

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