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Der Verrat

Der Verrat

Titel: Der Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Eisler
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einen Army-Typen wie dich geht. Ich finde, wir Veteranen müssen füreinander einstehen, da das ja sonst anscheinend kein Schwein tut. Außerdem hatte ich was dagegen, wie der gute Crawley mich behandelt hat. Menschenskind, der Junge hat mich für eine taube Nuss gehalten, ehrlich. Genau wie du auch, wenn ich das mal so sagen darf.«
    Ich sah ihn an. »Ich denke, du bist nicht halb so blöd, wie du tust, Dox. Und vielleicht nicht mal das.«
    Er lachte. »Ich hab doch gewusst, dass du mich gern hast.«
    »Was ist mit dem Geld?«
    »Scheiße, ich nehm doch lieber fünfundzwanzigtausend für nix als hunderttausend für was, wo ich mich nicht bei wohl fühle, du etwa nicht?«
    »Vielleicht. Aber Crawley will das Geld doch bestimmt zurück.«
    »Tja, kann schon sein, und ich würde es ihm ja gern wiedergeben. Das Problem ist nur, ich weiß nicht mehr, wo ich’s hingetan hab. Ich glaube, ich hab’s bei einem Börsenhai investiert oder irgend so ’nem anderen windigen Typen. Ist vielleicht schon durch den Schornstein.«
    Ich lächelte. »Da könnte Crawley aber böse werden.«
    »Ich rechne fest damit. Vielleicht versucht er sogar, einen anderen ›Patrioten‹ anzuheuern, um mich zu ›entfernen‹, weil ich ihn ausgenutzt habe. Aber das würde ihn noch mal hundert Riesen kosten. Nein, ich glaube, ich kenne so Typen wie Mr. Crawley, Ich denke, er entscheidet sich dafür, die Kränkung runterzuschlucken und auf bessere Tage zu hoffen. Das heißt, wenn er noch bessere Tage erlebt. Ich könnte mir denken, dass dich die Neuigkeiten, die ich dir hier erzähle, stinksauer machen. Würde mir jedenfalls so gehen.«
    Er hob seine Suppenschale an den Mund und trank den letzten Rest aus. »Aaaaah«, sagte er, stellte die Schale wieder auf den Tisch und lehnte sich zurück. »Geht doch nichts über Raupenpilz. Weißt du, ich muss dir noch was sagen. Dir ist das damals vielleicht nicht aufgefallen, aber in Afghanistan warst du immer anständig zu mir. Ich war der Einzige da, der nicht in Vietnam gedient hatte, und die anderen Jungs waren so ein bisschen eingebildet, fand ich immer. Haben mir das Gefühl gegeben, dass ich nicht dazu gehöre. Du warst da anders. Klar hast du nicht so getan, als wären wir ein Herz und eine Seele, aber irgendwie schienst du auch kein Problem mit mir zu haben.«
    Ich zuckte die Achseln. »Du warst ein guter Kämpfer.«
    Er nickte und wollte etwas sagen, doch dann blickte er nach unten und schluckte. Was ich eben gesagt hatte, war für mich genauso sachlich wie wahr, und ich hatte keine besondere Reaktion darauf erwartet. Deshalb brauchte ich eine Sekunde, bis mir klar wurde, dass Dox mit seinen Gefühlen rang.
    Nach einem Moment sah er mich an, und seine Augen blickten entschlossen, fast grimmig. »Und das ist das Einzige, was zählen sollte«, sagte er.
    Ich dachte an die Gerüchte, die ich in Afghanistan gehört hatte, dass er das Marine Corps verlassen musste, nachdem er sich mit einem Officer geprügelt hatte. »Hat irgendwer was anderes behauptet?«, fragte ich.
    Er trommelte mit den Fingern auf dem Tisch und starrte in die letzten Tropfen seiner Suppe. Dann sagte er: »Ich bin ein verdammt guter Scharfschütze, Mann. Verdammt gut. Vor Afghanistan war ich nie im Kampfeinsatz, aber ich wusste, was ich kann. Ich war in Quantico der Beste meiner Klasse in der Scharfschützenausbildung. Aber es gab da einen Lehrer, der mich auf dem Kieker hatte. Weil ich mich, obwohl meine Fähigkeiten Spitzenklasse waren – Beobachten und Zielerfassung, Anschleichen und Bewegung, Treffsicherheit –, nicht immer so verhielt, wie sich ein Scharfschütze verhalten sollte.«
    Ich konnte mir ein schwaches Lächeln nicht verkneifen. »Du bist etwas reservierter als die meisten Scharfschützen«, sagte ich ironisch.
    Er lächelte zurück. »Ja, Scharfschützen sind Leisetreter, zugegeben. Das sind sie schon von Natur aus, und ihre Arbeit verstärkt das noch. Aber ich bin nicht so und war es auch nie. In einer Kampfzone bin ich genauso verstohlen und tödlich wie jeder andere. Aber wenn ich nicht im Kampf bin, muss ich manchmal einfach auf den Putz hauen. So bin ich nun mal.«
    Ich nickte, erstaunt über das Mitgefühl, das ich empfand. »Und das hat nicht jedem gefallen.«
    Er zuckte die Achseln. »Weißt du, die normalen Soldaten fühlen sich im Umgang mit Scharfschützen nicht richtig wohl. Die halten uns für eiskalte Killer, Mörder, was auch immer. Klar, es ist okay, in einem wilden Feuergefecht zurückzuschießen

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