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Der Verrat

Der Verrat

Titel: Der Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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bewaffnet.
    »Hallo, Hector!«
    Keine Waffe, kein Angriff, nur ein schlechtes Gewissen. Seine Hände fielen auf den Schreibtisch, und er brachte sogar ein Lächeln zustande. »Was machen Sie denn hier?« sagte er.
    »Wie ist Chicago denn so?« fragte ich und setzte mich halb auf seinen Schreibtisch.
    »Was machen Sie hier?« wiederholte er.
    »Dasselbe könnte ich Sie fragen.«
    »Ich arbeite«, sagte er und kratzte sich am Kopf. Hundertzwanzig Meter über der Straße, versteckt in einem kleinen, fensterlosen Raum, abgeschirmt durch viele wichtige Leute. Und er war ausgerechnet von dem Mann aufgestöbert worden, vor dem er davongelaufen war. »Wie haben Sie mich gefunden?«
    »Das war sehr einfach. Ich bin jetzt Armenanwalt und kenne alle Tricks. Wenn Sie noch einmal davonlaufen, werde ich Sie wieder finden.«
    »Ich werde nicht mehr davonlaufen«, sagte er und wandte den Blick ab, und zwar nicht nur, um mich zu überzeugen.
    »Wir werden morgen die Klage einreichen«, sagte ich. »Gegen RiverOaks, TAG und Drake & Sweeney. Sie können sich nirgends verstecken.«
    »Wer sind die Kläger?«

    »Die Hinterbliebenen von Lontae Burton. Später auch die anderen Betroffenen -
    sobald wir sie ausfindig gemacht haben.«
    Er kniff die Augen zusammen und massierte seine Nasenwurzel.
    »Sie erinnern sich doch an Lontae, oder? Sie war die junge Mutter, die den Polizisten bei der Zwangsräumung Widerstand leistete. Sie haben alles gesehen, und Sie fühlen sich schuldig, weil Sie die Wahrheit wussten: dass diese Leute nämlich an Gantry Miete bezahlten. Das haben Sie in Ihrer Aktennotiz vom 26.
    Januar auch geschrieben, und Sie haben dafür gesorgt, dass die Notiz im Journal eingetragen wurde. Und zwar deshalb, weil Sie wussten, dass Braden Chance die Notiz irgendwann verschwinden lassen würde. Was er dann ja auch getan hat. Und darum bin ich hier, Hector. Ich will eine Kopie dieser Aktennotiz. Ich habe den Rest der Akte und werde ihren Inhalt demnächst offen legen. Jetzt will ich diese Aktennotiz.«
    »Wie kommen Sie darauf, dass ich eine Kopie haben könnte?«
    »Sie sind zu intelligent, um keine Kopie zu haben. Sie wussten, dass Chance das Original entfernen würde, um sein Vorgehen zu decken. Aber jetzt kommt alles ans Licht. Passen Sie auf, dass Sie nicht zusammen mit Chance untergehen.«
    »Wo soll ich denn hin?«
    »Sie sollen nirgends hin«, sagte ich. »Sie können nirgendwo hin.«
    Das wusste er. Da er die Wahrheit über die Zwangsräumung wusste, würde er irgendwann zu einer Aussage gezwungen werden. Diese Aussage würde Drake & Sweeney schwer zu schaffen machen und sein Ende in dieser Kanzlei bedeuten.
    Mordecai und ich hatten darüber gesprochen. Wir hatten nicht viel zu bieten.
    »Wenn Sie mir eine Kopie der Aktennotiz geben«, sagte ich, »werde ich nicht verraten, woher sie stammt. Und ich werde Sie nur als Zeugen benennen, wenn ich absolut keine andere Wahl habe.«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich könnte ja auch lügen«, sagte er.
    »Sie könnten. Aber Sie werden nicht, denn Sie wissen, dass man Sie überführen würde. Es ist kinderleicht zu beweisen, dass die Notiz in der Akte war und später entfernt worden ist. Sie werden nicht leugnen können, dass Sie sie geschrieben haben. Außerdem haben wir die Aussagen der Leute, die Sie auf die Straße gesetzt haben. Vor einer Jury aus lauter Schwarzen werden die eine großartige Figur machen. Und wir haben auch mit dem Mann vom Sicherheitsdienst gesprochen, der Sie am 27. Januar begleitet hat.«
    Jeder Schlag war ein Treffer, und Hector hing in den Seilen. In Wirklichkeit hatten wir den Mann vom Sicherheitsdienst nicht finden können - sein Name war nicht in der Akte aufgeführt.
    »Ich an Ihrer Stelle würde nicht mal daran denken zu lügen«, sagte ich. »Das würde die Sache nur noch schlimmer machen.«
    Hector war zu aufrichtig, um zu lügen. Immerhin war er es gewesen, der mir die Liste der Betroffenen und die Schlüssel zugespielt hatte. Er hatte eine Seele und ein Gewissen, und solange er sich hier in Chicago versteckte und vor seiner Vergangenheit davonlief, konnte er nicht glücklich sein.
    »Hat Chance den anderen die Wahrheit gesagt?« fragte ich.
    »Ich weiß es nicht«, sagte er. »Wahrscheinlich nicht. Dazu braucht man Mut, und Chance ist ein Feigling … Die werden mich rausschmeißen.«
    »Kann sein, aber Sie werden einen wunderschönen Prozess gegen sie führen. Ich werde das in die Hand nehmen. Wir werden sie verklagen, und ich werde Ihnen dafür

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