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Der Verrat

Der Verrat

Titel: Der Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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Stelle, wo ich genug Licht zum Lesen hatte. Meine Freunde bei Drake & Sweeney feuerten aus allen Rohren.
    Es war eine formelle Beschwerde vor dem Standesgericht, in der man mir standeswidriges Verhalten vorwarf. Die Beschwerde war drei Seiten lang, man hätte sie allerdings auch in einem einzigen Absatz zusammenfassen können. Ich hatte eine Akte gestohlen und das Vertrauens-Verhältnis zwischen Anwalt und Mandant verletzt. Ich war ein böser Junge, der 1.) seine Zulassung für immer oder wenigstens für viele Jahre verlieren und/oder 2.) öffentlich gerügt werden sollte. Und da die Akte noch immer nicht aufgetaucht sei, sei die Angelegenheit dringend, und daher halte man eine schnellstmögliche Eröffnung des Verfahrens für geboten.
    Der Umschlag enthielt außerdem Belehrungen, Formulare und andere Papiere, die ich nur überflog. Es war ein Schock. Ich lehnte mich an die Wand und dachte nach. Ja, ich hatte an eine Beschwerde vor der Anwaltskammer gedacht. Es wäre unrealistisch gewesen anzunehmen, die Kanzlei würde nicht alle Hebel in Bewegung setzen, um die Akte wieder zu beschaffen. Dennoch hatte ich angenommen, dass meine Verhaftung sie für eine Weile zufrieden stellen würde.
    Offenbar war das nicht der Fall. Sie wollten Blut sehen. Es war die typische Strategie einer großen Kanzlei - harte Bandagen, Gefangene werden nicht gemacht
    -, und ich verstand sie vollkommen. Was sie allerdings nicht wussten, war, dass ich morgen früh um neun Uhr das Vergnügen haben würde, sie wegen des fahrlässig verursachten Todes der Burtons auf zehn Millionen Dollar zu verklagen.
    Nach meiner Einschätzung der Lage gab es nichts, womit sie mir noch hätten drohen können. Keine weiteren Haft- oder Durchsuchungsbefehle. Keine eingeschriebenen Briefe. Alles lag auf dem Tisch, die Positionen waren klar. In gewisser Weise war es eine Erleichterung, dass ich diese Papiere jetzt in Händen hatte.
    Aber es war auch beängstigend. Vor zehn Jahren hatte ich beschlossen, Jura zu studieren, und seitdem hatte ich einen anderen Beruf nie ernsthaft in Erwägung gezogen. Was würde ich tun, wenn man mir die Zulassung entzog?
    Andererseits war Sofia keine Rechtsanwältin und mir durchaus ebenbürtig.
    Mordecai erwartete mich an dem Aufgang zu dem Block, in dem unsere Plätze waren.
    Ich gab ihm eine kurze Zusammenfassung der Beschwerde. Er sprach mir sein Beileid aus.
    Obgleich das Spiel spannend zu werden versprach, war Basketball nicht der wichtigste Grund, warum wir hier waren. Jeff Mackle hatte einen Teilzeitjob bei Rock Creek Security und war unter anderem für Veranstaltungen in der Arena eingeteilt. Das hatte Sofia im Verlauf des Tages herausgefunden. Wir nahmen an, dass er einer der Sicherheitsleute war, die im Gebäude verteilt waren und sich gratis das Spiel und die hübschen Studentinnen ansehen durften.
    Wir hatten keine Ahnung, ob er alt oder jung, schwarz oder weiß, dick oder dünn war, aber alle Männer des Sicherheitsdienstes trugen Namensschildchen über der linken Brusttasche. Wir liefen bis kurz vor der Halbzeit über die Treppen und durch die Gänge, bis Mordecai ihn entdeckte: Er stand an Aufgang D - eine Stelle, an der ich bereits zweimal gewesen war - und flirtete mit einer Kartenabreißerin.
    Mackle war groß, weiß und etwa in meinem Alter. Er hatte ein unauffälliges Gesicht, aber seine Nacken- und Oberarmmuskeln waren gewaltig, und seine Brust wölbte sich vor. Mordecai und ich hielten einen kurzen Kriegsrat ab und kamen zu dem Schluss, dass es am besten wäre, wenn ich es war, der mit ihm sprach.
    Ich hielt eine meiner Visitenkarten in der Hand, als ich auf ihn zuging und mich vorstellte. »Mr. Mackle, ich bin Michael Brock, Rechtsanwalt.«
    Er bedachte mich mit dem Blick, mit dem man bedacht wird, wenn man sich so vorstellt, und nahm wortlos die Karte. Ich hatte seinen Flirt unterbrochen.
    »Dürfte ich Ihnen ein paar Fragen stellen?« sagte ich in meinem besten Mordkommissionston.
    »Sie dürfen. Ich weiß nur noch nicht, ob ich auch antworte.« Er zwinkerte der Kartenabreißerin zu.
    »Haben Sie schon mal im Auftrag von Drake & Sweeney gearbeitet, einer großen Anwaltskanzlei hier in Washington?«
    »Kann sein.«
    »Haben Sie sie schon mal bei einer Zwangsräumung unterstützt?«
    Ich hatte einen Nerv getroffen. Sein Gesicht verhärtete sich, und das Gespräch war praktisch beendet. »Ich glaube nicht«, sagte er und wandte den Blick ab.
    »Sind Sie sicher?«
    »Nein. Die Antwort lautet: Nein.«
    »Sie haben

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