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Der Verrat

Der Verrat

Titel: Der Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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verhandeln.«
    »Wo?«
    »Bei ihnen. Um zehn Uhr morgens, und ohne Sie.«
    Ich hatte nicht erwartet, eingeladen zu werden.
    »Sind sie besorgt?«
    »Natürlich sind sie besorgt. Sie haben zwanzig Tage Zeit, um sich zu der Klage zu äußern, und rufen jetzt schon an, um über einen Vergleich zu verhandeln. Sie sind sehr besorgt.«

    FÜNFUNDDREISSIG

    Den nächsten Morgen verbrachte ich in der Redeemer Mission und beriet Mandanten mit der Finesse eines Anwalts, der sich seit Jahren mit den juristischen Problemen von Obdachlosen herumschlug. Die Versuchung war zu groß, und um Viertel nach elf rief ich Sofia an, um zu fragen, ob sie schon etwas von Mordecai gehört habe. Sie hatte nicht. Wir hatten damit gerechnet, dass das Gespräch bei Drake & Sweeney lange dauern würde. Ich hoffte, er habe vielleicht angerufen, um zu sagen, alles laufe wie geschmiert. Doch ich hatte kein Glück.
    Natürlich hatte ich nur wenig geschlafen, und das nicht wegen körperlicher Beschwerden. Meine Nervosität vor den Vergleichsverhandlungen hatte sich als stärker erwiesen als ein langes, heißes Bad und eine Flasche Wein. Ich war zu angespannt.
    Ich beriet meine Mandanten, doch es fiel mir schwer, mich auf Lebensmittelgutscheine, Wohngeldanträge und zahlungsunwillige Väter zu konzentrieren, während es an einer anderen Front um meine Zukunft ging. Als das Mittagessen ausgegeben wurde, ging ich. Meine Gegenwart war weit weniger wichtig als das tägliche Brot. Ich kaufte mir zwei Bagels und eine Flasche Wasser und fuhr eine Stunde lang auf dem Beltway herum.
    Als ich zum Büro zurückkehrte, stand Mordecais Wagen neben dem Gebäude. Er erwartete mich in seinem Zimmer. Ich schloss die Tür.
    Das Gespräch fand in Arthur Jacobs’ persönlichem Konferenzraum in der siebten Etage statt, einem heiligen Bezirk der Kanzlei, dem ich nie auch nur nahe gekommen war. Empfangsdamen und Angestellte behandelten Mordecai wie einen Staatsbesuch: Sein Mantel wurde ihm eilends abgenommen, der Kaffee war genau richtig und wurde mit frischem Gebäck gereicht.
    Er saß auf einer Seite des Tisches, ihm gegenüber Arthur Jacobs, Donald Rafter, ein Anwalt der Gesellschaft, bei der die Kanzlei versichert war, und ein Anwalt von RiverOaks. Tillman Gantry hatte ebenfalls einen Anwalt, den man jedoch nicht eingeladen hatte. Für den Fall eines Vergleichs war kaum zu erwarten, dass Gantry auch nur einen Cent dazu beisteuern würde.
    Eigenartig war nur, dass RiverOaks ebenfalls vertreten war, doch auch das hatte einen guten Grund: Die Interessen dieser Gesellschaft standen im Gegensatz zu denen der Kanzlei. Mordecai sagte, die gegenseitige Abneigung sei mit Händen zu greifen gewesen.
    Die meiste Zeit führte Jacobs das Wort für die Gegenpartei; Mordecai konnte kaum glauben, dass dieser Mann tatsächlich achtzig war. Er kannte die Fakten auswendig und hatte sie sofort parat, und sein extrem scharfer Verstand hatte den Fall von allen Seiten durchleuchtet.
    Zunächst einigte man sich darauf, das alles im Verlauf dieses Gespräches Gesagte oder Gesehene streng vertraulich behandelt wurde; jede Schuldanerkenntnis würde, sollte die Gegenpartei damit an die Öffentlichkeit gehen, sofort widerrufen werden; kein Angebot würde vor Unterzeichnung der entsprechenden Dokumente juristisch bindend sein.
    Jacobs eröffnete das Gespräch, indem er sagte, die Beklagten, insbesondere Drake & Sweeney und RiverOaks, seien von der Klage vollkommen überrascht gewesen
    - sie seien erschüttert und irritiert durch die ungewohnte Herabsetzung und die schlechte Behandlung durch die Presse. Er sprach sehr freimütig über die Kränkungen, denen seine geliebte Kanzlei ausgesetzt war. Mordecai hörte, wie während des größten Teils des Gesprächs, einfach nur zu.
    Jacobs wies darauf hin, dass es um eine ganze Reihe von Themen gehe. Er begann mit Braden Chance und sagte, dieser sei nicht mehr für die Kanzlei tätig. Er sei nicht auf eigenen Wunsch gegangen, sondern hinausgeworfen worden. Jacobs zählte Chances Verfehlungen auf: Er habe alle Angelegenheiten, die RiverOaks betrafen, persönlich bearbeitet, er habe jeden Aspekt des TAG-Geschäfts gekannt, alle Einzelheiten geregelt und mit seiner Anweisung, die Zwangsräumung durchzuführen, wahrscheinlich eine Verletzung der Sorgfaltspflicht begangen.
    »Wahrscheinlich?« sagte Mordecai.
    Nun ja, mehr als wahrscheinlich. Chance habe es an der notwendigen professionellen Verantwortung fehlen lassen, als er seine Anweisung zur Räumung des

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