Der Verrat
verlieren?«
»Nichts.«
Ich tippte Mordecai auf die Schulter. Wir entschuldigten uns und zogen uns in sein Büro zurück. »Was ist?« fragte er.
»Nach dem, was Kito Spires zugestoßen ist, halte ich es für besser, seine Aussage aufzunehmen. Und zwar jetzt.«
Mordecai kratzte sich am Bart. »Keine schlechte Idee. Wir machen eine eidesstattliche Erklärung. Er unterschreibt sie, Sofia beglaubigt sie, und wenn ihm irgendwas zustößt, können wir beantragen, dass sie zugelassen wird.«
»Haben wir einen Kassettenrecorder?« fragte ich.
Sein Blick irrte durch den Raum. »Ja, irgendwo.«
Da er nicht wusste, wo das Gerät war, würde es Monate dauern, bis es gefunden war. »Und eine Videokamera?«
»Nein.«
Ich dachte einen Augenblick nach und sagte: »Ich hole meine. Sie und Sofia beschäftigen ihn solange.«
»Wir werden ihn nicht weglassen.«
»Gut. Ich brauche fünfundvierzig Minuten.«
Ich eilte hinaus, sprang in meinen Wagen und jagte in westlicher Richtung nach Georgetown. Beim dritten Versuch gelang es mir, Claire zwischen zwei Seminaren zu erreichen. »Was ist los?« fragte sie.
»Ich muss mir die Videokamera ausleihen. Es ist eilig.«
»Sie ist immer noch da, wo sie immer war«, sagte sie sehr langsam und versuchte, meine Bitte zu analysieren. »Warum?«
»Für eine eidesstattliche Erklärung. Kann ich sie haben?«
»Ja.«
»Liegt sie immer noch im Wohnzimmer?«
»Ja.«
»Hast du die Schlösser auswechseln lassen?«
»Nein.« Aus irgendeinem Grund freute mich das. Ich hatte noch immer einen Schlüssel. Ich konnte kommen und gehen, wie ich wollte.
»Was ist mit dem Code der Alarmanlage?«
»Ich hab ihn nicht geändert.«
»Danke. Ich rufe dich später noch mal an.«
Wir setzten Marquis Deese in einen Raum, der nur mit Aktenschränken möbliert war. Er saß auf einem Stuhl, hinter sich eine weiße Wand. Ich war der Kameramann, Sofia war die Notarin, und Mordecai stellte die Fragen. Deeses Antworten hätten nicht besser ausfallen können.
Nach einer halben Stunde waren wir fertig. Mordecai hatte alle erdenklichen Fragen gestellt, und Deese hatte sie beantwortet. Er glaubte zu wissen, wo zwei der anderen Opfer lebten, und versprach, sie aufzutreiben.
Wir wollten für jedes der Opfer eine separate Klage einreichen - immer eine nach der anderen, damit unseren Freunden von der Post genug Zeit zum Recherchieren blieb. Wir wussten, dass Kelvin Lam beim CCNV war, aber er und Deese waren bisher die beiden einzigen, auf die wir gestoßen waren. In ihren Fällen stand nicht viel Geld auf dem Spiel - wir würden uns gern mit je fünfundzwanzig-tausend zufrieden geben -, aber die zusätzlichen Klagen würden die Beklagten noch mehr in Bedrängnis bringen.
Ich hoffte beinahe, dass die Polizei eine weitere Säuberungsaktion durchführen würde.
Bevor Deese ging, schärfte Mordecai ihm ein, mit keinem Menschen über die Sache zu sprechen. Ich setzte mich an einen der Schreibtische im Eingangsraum und tippte im Namen unseres neuen Mandanten, Marquis Deese, eine drei Seiten umfassende Klage wegen gesetzwidriger Zwangsräumung. Als Beklagte nannte ich River-Oaks, TAG und Drake & Sweeney. Dann tippte ich eine Klage im Namen von Kelvin Lam. Anschließend speicherte ich die Klageschriften auf der Festplatte.
Wenn wir einen neuen Kläger fanden, brauchte ich nur noch seinen Namen einzugeben.
Kurz vor zwölf läutete das Telefon. Sofia telefonierte gerade auf dem anderen Apparat, also griff ich zum Hörer und sagte, wie gewöhnlich: »Rechtsberatung.«
Eine würdevolle alte Stimme am anderen Ende sagte: »Hier ist Arthur Jacobs von Drake & Sweeney. Ich würde gern mit Mr. Mordecai Green sprechen.«
»Einen Augenblick«, brachte ich heraus und legte den Anruf in die Warteschleife.
Ich starrte das Telefon an, stand langsam auf und ging zu Mordecais Tür.
»Was ist?« fragte er, ohne von dem Bundesgesetzbuch aufzusehen, das aufgeschlagen vor ihm lag. •
»Arthur Jacobs ist am Telefon.«
»Wer ist das?«
»Drake & Sweeney.«
Wir starrten einander ein paar Sekunden lang an, dann lächelte er. »Das könnte der Anruf sein«, sagte er. Ich nickte nur.
Er griff nach dem Hörer, und ich setzte mich.
Es war ein kurzes Gespräch, bei dem Arthur das meiste sagte. Offenbar wollte er ein Treffen, um über die Klage zu verhandeln, und zwar je früher desto besser.
Danach erzählte mir Mordecai alles noch einmal genau. »Sie wollen sich morgen mit uns treffen und über die Rücknahme der Klage
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