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Der Verrat

Der Verrat

Titel: Der Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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später sagte er, während wir im Gebüsch nach seinem Ball suchten: »Willst du dir einen neuen Job suchen?«

    »Ich denke darüber nach.«
    »Und was schwebt dir vor?«
    »Ich weiß es nicht. So weit bin ich noch nicht. Ich hab mich noch nicht umgesehen.«
    »Wenn du dich noch nicht umgesehen hast, woher weißt du dann, dass ein neuer Job besser sein wird als der alte?« Er hob den Ball auf und ging zurück zum Fairway.
    Während er zu seinem Ball ging, fuhr ich allein auf dem schmalen, gepflasterten Weg weiter und fragte mich, warum ich vor diesem weißhaarigen Mann soviel Angst hatte. Er hatte seine Söhne dazu angehalten, sich Ziele zu setzen, hart zu arbeiten, stark zu sein - und das alles, um viel Geld zu verdienen und den amerikanischen Traum zu leben. Alles, was wir brauchten, hatte er bezahlt.
    Wie meine Brüder besaß auch ich kein sehr hoch entwickeltes soziales Gewissen.
    Wir spendeten für die Kollekte, weil in der Bibel viel Wert auf das Almosengeben gelegt wurde. Wir zahlten Steuern, weil das gesetzlich vorgeschrieben war. Sicher wurde mit dem, was wir gaben, irgendwo und irgendwie etwas Gutes getan, und auf diese Weise hatten wir einen Anteil daran. Politik war etwas für Leute, die bereit waren, sich auf dieses Spiel einzulassen -ein ehrlicher Mann konnte dort nicht zu Reichtum kommen. Wir waren dazu erzogen worden, produktiv zu sein. Je mehr Erfolg wir hatten, desto mehr würde die Gesellschaft auf irgendeine Weise davon profitieren. Man setzte sich Ziele, man arbeitete hart, man war fair und brachte es zu Wohlstand.
    Das fünfte Loch beendete er mit zwei Schlägen über Par. Als er in den Wagen stieg, schob er die Schuld auf seinen Putter.
    »Vielleicht suche ich gar nicht nach einem besseren Job«, sagte ich.
    »Warum sagst du nicht einfach, was du sagen willst?« Wie gewöhnlich fühlte ich mich wie ein Schwächling, weil ich das Thema nicht direkt zur Sprache gebracht hatte.
    »Ich überlege, ob ich mich mehr für das Gemeinwohl engagieren soll.«
    »Was soll das denn heißen?«
    »Das heißt, dass ich mich zum Wohl der Gesellschaft einsetzen und weniger Geld verdienen würde.«
    »Was bist du - ein Demokrat? Ich glaube, du bist schon zu lange in Washington.«
    »In Washington gibt es jede Menge Republikaner. Sie haben sogar die Regierung übernommen.«
    Wir fuhren schweigend zum nächsten Abschlag. Mein Vater war ein guter Golfer, aber seine Schläge wurden immer schlechter. Seine Konzentration war dahin.
    Als wir wieder einmal durch das Gebüsch neben dem Fairway stapften, sagte er:
    »Habe ich das richtig verstanden: Irgendein Säufer von der Straße kriegt eine Kugel durch den Kopf, und du ziehst aus, um die Gesellschaft zu verändern?«
    »Er war kein Säufer. Er war in Vietnam.«
    Mein Vater hatte in den ersten Kriegsjahren B-52-Bomber geflogen. Meine Bemerkung ließ ihn verstummen - allerdings nur für einen Augenblick. Er war nicht bereit, auch nur einen Zentimeter nachzugeben. »Einer von denen also.«
    Ich gab keine Antwort. Der Ball war hoffnungslos verloren, und mein Vater suchte eigentlich gar nicht mehr nach ihm. Er warf einen neuen auf den Fairway und schlug ihn in die Büsche auf der anderen Seite. Wir fuhren weiter.
    »Ich will nicht zusehen, wie du eine gute Karriere aufgibst«, sagte er. »Du hast zu schwer gearbeitet. In ein paar Jahren bist du Teilhaber.«
    »Vielleicht.«

    »Du brauchst Urlaub, das ist alles.«
    Alle Welt schien zu glauben, das sei ein Allheilmittel.
    Zum Abendessen lud ich sie in ein gutes Restaurant ein. Wir bemühten uns, die Themen Claire, meine Karriere und die Enkelkinder, die sie so selten zu sehen bekamen, zu vermeiden, und sprachen über alte Freunde und die Viertel, in denen wir früher gewohnt hatten. Ich ließ mir den neuesten Klatsch erzählen, der mich nicht im mindesten interessierte.
    Am Freitag Mittag, vier Stunden vor meinem Abflug, verabschiedete ich mich von meinen Eltern und wandte mich wieder meinem in Unordnung geratenen Leben in Washington zu.

    SIEBEN

    Natürlich war die Wohnung leer, als ich Freitag nacht zurückkam, aber diese Leere hatte eine besondere Qualität. Auf der Küchentheke fand ich einen Zettel: Claire war meinem Beispiel gefolgt und für ein paar Tage zu ihren Eltern nach Providence gefahren. Einen Grund nannte sie nicht. Sie bat mich, sie anzurufen, sobald ich wieder zu Hause war.
    Ich rief ihre Eltern an. Dort war man gerade beim Abendessen. Wir quälten uns durch fünf Minuten Geplauder und stellten fest, dass

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