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Der Verrat

Der Verrat

Titel: Der Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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ihnen, sie sollen mich in Ruhe lassen. Denk daran: Ich hab die Akte, und da ist viel Schmutz
    drin.«
    »Es waren bloß ein paar Hausbesetzer, Michael.«
    »Die Sache ist viel komplizierter. Jemand sollte sich mal mit Braden Chance zusammensetzen und die Wahrheit aus ihm herauspressen. Sag Rafter, er soll seine Hausaufgaben machen, sonst könnte sein Schuss nach hinten losgehen. Glaub mir, Barry, das wird Schlagzeilen machen. Wenn das rauskommt, werdet ihr euch nicht mehr aus dem Haus trauen.«
    »Du schlägst also einen Waffenstillstand vor? Du behältst die Akte, und wir lassen dich in Ruhe?«
    »Für den Augenblick jedenfalls. Was nächste oder übernächste Woche sein wird, weiß ich nicht.«
    »Warum soll ich nicht mit Arthur sprechen? Ich mache den Vermittler. Wir drei setzen uns zusammen, schließen die Tür ab und klären diese Angelegenheit. Was meinst du?«
    »Dafür ist es zu spät. Es hat Tote gegeben.«
    »Mister hat es nicht anders gewollt.«
    »Es gibt noch andere.« Damit hatte ich genug gesagt. Er war zwar mein Freund, aber über den größten Teil unseres Gespräches würde er seinen Bossen berichten.
    »Könntest du mir das erklären?«
    »Nein. Das ist vertraulich.«
    »Aus dem Mund eines Anwalts, der Akten stiehlt, klingt das ein bißchen aufgesetzt.«
    Der Heizkörper gluckste und gurgelte, und für eine Weile war es leichter, ihn anzusehen als zu sprechen. Keiner von uns wollte etwas sagen, das er später bereuen würde.
    Er fragte nach den anderen Mitarbeitern des Rechtsberatungsbüros. Ich führte ihn herum. Mehr als einmal murmelte er: »Unglaublich.«
    »Wollen wir in Verbindung bleiben?« fragte er an der Tür.
    »Klar.«

    ACHTZEHN

    Meine Einweisung dauerte etwa dreißig Minuten. Das war die Fahrtzeit vom Büro zum Samaritan House in Northeast. Mordecai fuhr und redete, und ich saß da, umklammerte meine Aktentasche und war so nervös wie ein Anfänger vor seiner ersten Bewährungsprobe. Ich trug Jeans, ein weißes Hemd und Krawatte, einen alten marineblauen Blazer, weiße Socken und alte Nike Turnschuhe. Ich hatte mich nicht rasiert. Als Armenanwalt konnte ich mich kleiden, wie ich wollte.
    Mordecai war die Veränderung meines Erscheinungsbildes natürlich in dem Augenblick aufgefallen, in dem ich ins Büro trat und verkündete, ich wolle mit der Arbeit anfangen. Er sagte nichts, aber sein Blick verweilte bei den Turnschuhen. Er kannte das schon: Irgendwelche Typen von den großen Kanzleien kamen aus den Bürohochhäusern, um ein paar Stunden bei den Armen zu verbringen.
    Aus irgendeinem Grund fühlten sie sich verpflichtet, sich einen Bart wachsen zu lassen und Jeans zu tragen.
    »Ihre Mandanten lassen sich nach Dritteln klassifizieren«, sagte er. Er fuhr, und das erbärmlich, mit einer Hand, hielt in der anderen einen Becher Kaffee und achtete nicht auf die Fahrzeuge um uns herum. »Etwa ein Drittel hat Arbeit, ein Drittel sind Familien mit Kindern, ein Drittel ist geistig zurückgeblieben, und ein Drittel sind Veteranen. Und etwa ein Drittel von denen, die Anrecht auf eine Sozialwohnung haben, wohnen auch tatsächlich in einer. In den letzten fünfzehn Jahren sind zweieinhalb Millionen Sozialwohnungen vom Markt verschwunden, und die Bundeszuschüsse dafür sind um siebzig Prozent gekürzt worden. Kein Wunder, dass die Leute auf der Straße leben. Alle Regierungen sparen auf Kosten der Armen.«
    Mühelos rasselte er Statistiken herunter. Dies war sein Leben, sein Beruf. Als Anwalt war ich darauf getrimmt, alles sorgfältig zu notieren, und ich musste gegen den Impuls ankämpfen, meine Aktentasche aufzureißen und mitzuschreiben.
    Ich saß nur da und hörte zu.
    »Diese Leute arbeiten für Mindestlohn. Die normalen Mietwohnungen vom freien Markt kommen für sie also nicht in Frage. Nicht mal im Traum. Und ihre Löhne haben mit der Entwicklung der Mietpreise nicht schrittgehalten. Also wird die Kluft immer größer, und gleichzeitig werden immer mehr Hilfsprogramme eingestellt. Stellen Sie sich vor: Nur vierzehn Prozent der obdachlosen Behinderten bekommen die Behindertenrente, die ihnen zusteht. Vierzehn Prozent!
    Sie werden eine Menge solcher Fälle zu sehen bekommen.«
    Mit quietschenden Reifen kamen wir an einer roten Ampel zum Stehen. Mordecais Wagen ragte weit in die Kreuzung hinein. Ringsum ertönten Hupen. Ich ließ mich tiefer in den Sitz sinken und wartete auf den Aufprall. Mordecai merkte gar nicht, dass sein Wagen den Berufsverkehr blockierte. Er starrte ins Leere und war

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