Der Verrat
sagte zu dem Besitzer: »Ich kaufe Wisterie von ihren Diensten bei Euch frei.« Seine Diener bezahlten für meine Freiheit eine Truhe voller Goldmünzen. Meine Liebe zu Sano- san war so übermächtig, dass mir Tränen über die Wangen rannen. Seine Augen strahlten vor Verlangen nach mir. Wir konnten es kaum erwarten, zusammen aus Yoshiwara zu fliehen, aber wir mussten die Abschiedsrituale vollziehen, und solch ein bedeutungsvolles Ereignis am Ende meines Leidens musste angemessen gefeiert werden. Am nächsten Tag zog ich die feinen Kleider an, die Sano -san für mich gekauft hatte. Dann verteilte ich die Abschiedsgeschenke, die er besorgt hatte. Ich schritt mit meinen Dienerinnen durch Yoshiwara, besuchte all meine Freunde und schenkte ihnen gekochten Reis und rote Bohnen. In den Teehäusern und ageya , in denen ich meine Freier unterhalten hatte, gab ich geräucherten Fisch ab. Alle Unterhaltungskünstler und Hausmädchen erhielten von mir ein paar Münzen. Alle wünschten mir ein langes, glückliches Leben. Sano- san und ich gaben ein üppiges Festmahl. Der Wein und mein Glück berauschten mich. Oh, der mächtige, reiche sōsakan-sama war mein Liebhaber! Ich würde in Sicherheit sein, und es würde mir an nichts fehlen.
Schließlich wurden wir zum Tor geleitet. Sano- san half mir, in die Sänfte zu steigen. Er und seine Gefolgsleute eskortierten mich nach Edo. Ich lachte und sang und schaute mich kein einziges Mal nach dem sündhaften Vergnügungsviertel um.
Ich glaubte, Sano -san würde mich zum Palast zu Edo bringen, aber wir hielten in der Nähe von Nihonbashi. Seine Diener brachten meine Habseligkeiten in ein Haus.
»Dieses Haus habe ich für dich gemietet«, sagte Sano- san zu mir.
Ich war enttäuscht, tröstete mich aber mit dem Gedanken, dass ein Mann seines Ranges keine Kurtisane heiraten könne, die er soeben aus Yoshiwara freigekauft hatte. Vielleicht musste zuerst ein wenig Zeit verstreichen, bis ich genug Ansehen genoss, um seine Gemahlin zu werden. Das Haus würde seinen Zweck erfüllen, bis wir zusammenleben konnten. Es war klein, aber sauber und hübsch eingerichtet. Sano- san hatte Bedienstete eingestellt, die sich um mein Wohl kümmern sollten.
»Ich danke dir für deine Großzügigkeit«, sagte ich. »Wirst du ein Weilchen bleiben?«
Sein glühender Blick glitt über mich. »Oh ja.«
Er zog mich an sich. Seine Hände glitten unter meine Kleider. Sie fielen zu Boden. Ich seufzte entzückt, als er mich streichelte. Ich öffnete seine Schärpe, schob seine Kleider zur Seite und wickelte das Lendentuch ab. Sein erigiertes Glied sprang heraus. Ich kniete mich nieder und streichelte es, liebkoste ihn mit dem Mund. Sano warf stöhnend den Kopf zurück, während sein Glied immer größer und härter wurde.
Dann zog er mich hoch und führte mich zum Bett. Er lehnte sich gegen die Kissen, und ich setzte mich mit gespreizten Beinen auf ihn. Zuerst bewegte ich mich langsam auf und nieder, bis meine Bewegungen immer schneller wurden. Wir stöhnten und atmeten gemeinsam. Als er meine Hüften umklammerte und sein Glied mit wachsender Begierde in mich hineinstieß, beugte ich mich zu ihm vor und presste meine Lippen auf seinen Mund.
Ich hatte Sano -san und viele andere Männer diese lustvolle, exotische Stellung gelehrt. Die warme, feuchte Vereinigung unserer Lippen, Zungen und unseres Speichels erregte ihn sehr! Er stieß kräftig zu und schrie, als er sich in mir ergoss. Sein Entzücken löste auch das meine aus. Ich trieb auf den Wellen des Höhepunkts dahin. Wir waren verschmolzen; körperlich und geistig unzertrennlich.
Reiko saß mit dem Buch in der Hand da – den Mund aufgerissen; ihre Augen starrten schockiert auf das, was sie soeben gelesen hatte.
Diese Geschichte konnte nicht wahr sein!
Sano hatte ihr nie erzählt, dass er Kurtisane Wisterie überhaupt gekannt hatte. Er konnte unmöglich der Liebhaber sein, der sie aus Yoshiwara befreit hatte. Außerdem konnte es nicht zwei Tagebücher geben. Dieses hier musste eine Fälschung sein.
Während Reiko die Gründe aufzählte, die dafür sprachen, dass diese Geschichte eine Erfindung war, zog ein kalter, Übelkeit erregender Krampf ihr den Magen zusammen. Dieses zweite Tagebuch passte zur Beschreibung vom Tagebuch Wisteries, während es sich bei dem ersten Buch nur um eine lose Sammlung einiger Seiten gehandelt hatte.
Der Abschnitt, in dem der Geschlechtsakt mit Sano beschrieben wurde, hatte bei Reiko eine unheilvolle Saite zum Klingen
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